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Den Krebs ausbremsen

Von Alexandra Grass

Wissen

Die Entdeckung der Immuntherapie bringt James P. Allison und Tasuku Honjo den Nobelpreis für Medizin.


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Stockholm/Wien. Mit ihren Entdeckungen über Kommunikationspfade zwischen Krebszellen und menschlichen Abwehrzellen haben der US-Forscher James P. Allison und der Japaner Tasuku Honjo den Weg für eine revolutionäre Entwicklung in der Krebstherapie geebnet. Die sogenannte Immuntherapie stellt heute die prägende vierte Säule in der Behandlung von Tumoren dar. Ausgeklügelte Bremsmanöver sind ihr Prinzip. Für diesen Durchbruch wurden die beiden Immunologen am Montag vom Komitee des Stockholmer Karolinska Instituts mit dem Nobelpreis für Physiologie und Medizin geehrt.

"Krebs tötet Millionen Menschen jedes Jahr und ist eine der größten globalen Gesundheitsherausforderungen", heißt es in der Mitteilung des Nobelpreiskomitees. Die Erkrankung entsteht dann, wenn sich abnormale Zellen unkontrolliert teilen und sich diese in gesunden Organen oder in gesundem Gewebe breitmachen. Bisher standen in der Therapie drei wichtige Säulen zur Verfügung: die Operation, die Bestrahlung sowie Chemo- oder zielgerichtete Therapien.

Proteine als Hemmschuh

Allison und Honjo haben neue Möglichkeiten entdeckt, um diese gefürchtete Erkrankung auszubremsen. Im Mittelpunkt stehen dabei Proteine, die sich auf der Oberfläche von Abwehrzellen befinden. Diese Eiweißstoffe kommunizieren mit anderen Zellen und sorgen dafür, dass die Immunzellen aktiv oder ruhend sind. Allison fand das Protein namens CTLA-4, Honjo identifizierte das sogenannte PD-1 sowie PD-L1.

Die Stoffe wirken auf die T-Lymphozyten - bestimmte Abwehrzellen - wie ein Hemmschuh. Spezielle Antikörper, wie sie seit wenigen Jahren der Medizin zur Verfügung stehen, lösen diese Bremse und sorgen dafür, dass das körpereigene Immunsystem die Tumorzellen angreifen kann. Das Nobelpreiskomitee spricht von einem "Meilenstein im Kampf gegen den Krebs".

Unmittelbar nachdem die ersten Studien die Effekte von CTLA-4 und PD-1 aufgezeigt hatten, war Tempo in die Entwicklung der neuen Methode gekommen. "Heute wissen wir, dass die Therapie, oft auch Immuncheckpoint-Blockade genannt, eine fundamentale Wandlung für manche Patientengruppen mit fortgeschrittenem Krebs bedeutete - hin zu einem längeren Überleben."

Die Nebenwirkungen der Behandlung können sehr ernsthaft, sogar lebensbedrohend sein, denn das Abwehrsystem wird dermaßen überaktiviert, dass es zu Autoimmunreaktionen kommen kann. Bei Autoimmunerkrankungen gehen die Abwehrzellen auch gegen gesunde Zellen vor. Für gewöhnlich seien diese Nebeneffekte allerdings unter Kontrolle zu bringen, heißt es seitens der Medizin. Auch wird weiter daran geforscht, diese ungewollten Mechanismen auszuschalten.

Checkpoint-Therapie

Bei 20 bis 25 Prozent der Behandelten erreicht man derzeit eine langfristige Kontrolle der Erkrankung, so die Zahlen aus der Onkologie. Zugelassen sind die neuen Medikamente mit den komplizierten Namen Ipilimumab, Nivolumab oder Atezolizumab derzeit bei fortgeschrittenen Lungen-, Blasen-, Nierenzell-, HNO-, Magen- und Leberzellkarzinomen sowie beim Hodgkin-Lymphom und beim Melanom. Um die Wirkung der Immuntherapien zu erhöhen, wird mittlerweile auf die Kombination von Checkpoint-Inhibitoren mit anderen immunologischen Therapien gesetzt.

"Seit mehr als 100 Jahren hatten Wissenschafter danach geforscht, das Immunsystem gegen Krebszellen scharf zu machen. Die Checkpoint-Therapie hat die Krebsbehandlung revolutioniert und einen neuen Weg aufgezeigt, wie wir Krebs in den Griff bekommen können", schreibt das Nobelpreiskomitee.

Preisträger fühlen sich geehrt

Allison wurde 1948 in Texas geboren. Heute arbeitet er als Professor am University of Texas MD Anderson Cancer Center. Er fühle sich geehrt, erklärte er, als er über der Auszeichnung informiert wurde. Ursprünglich hätte er nicht geplant, Krebs zu erforschen, sondern wollte nur die Prozesse der T-Zellen im Immunsystem besser verstehen. "Diese unglaublichen Zellen, die durch unseren Körper reisen und uns beschützen." Dass er in der Zwischenzeit Menschen treffen durfte, die den Krebs mithilfe der neuen Therapien überlebt haben, zeige deren Kraft.

Honjo kam 1942 in Kyoto zur Welt und arbeitet auch an der dortigen Universität. Als der 76-Jährige von der Auszeichnung erfuhr, betonte er, dass er noch lange nicht ans Aufhören denke. "Damit noch mehr Kranke geheilt werden können, werde ich noch eine Weile weiter meine Forschung fortsetzen", erklärte Honjo vor Journalisten. Er fühle sich sehr geehrt, den Nobelpreis zu bekommen. Das habe er "unzähligen Menschen" zu verdanken, vor allem seinen Kollegen, Studenten und anderen Unterstützern sowie seiner Familie.

Beginn des Nobelpreisreigens

Die Auszeichnung für Medizin ist jährlich die erste im Nobelpreisreigen. Am Dienstag erfolgt die Bekanntgabe für Physik, am Mittwoch für Chemie. Am Freitag wird verkündet, wer den Friedensnobelpreis erhält, und nächsten Montag jener für Wirtschaftswissenschaften bekanntgegeben. Der Medizinnobelpreis wird wie alle anderen wissenschaftlichen Nobelpreise am 10. Dezember, dem Todestag von Alfred Nobel, in Stockholm überreicht.