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"Nicht eine soziale Hängematte zum Zurücklehnen, sondern ein soziales Sprungbrett soll den Menschen zur Verfügung gestellt werden, mit dessen Hilfe es ihnen unter eigenen Anstrengungen gelingt, wieder in Beschäftigung zurückzukehren." (Aus dem "Wegweiser für Österreichs Wirtschaftspoitik" des Wirtschaftsbundes.)
Auch wenn es aus heutiger Sicht kaum vorstellbar ist: Die demografische Entwicklung wird der Wirtschaft, auf Grund der Überalterung unserer Gesellschaft, einen Arbeitskräftemangel von bis zu einer viertel Million Arbeitskräften bescheren. Die Zeit drängt, Maßnahmen zu setzen, um arbeitslose Menschen möglichst rasch wieder in Arbeit zu bekommen.
Arbeit und Karriereverläufe von heute sind nicht mehr vergleichbar mit jenen unserer Großeltern. Mobilität und Flexibilität ist für Arbeitnehmer heute zur Selbstverständlichkeit geworden. Sie sollten auch für arbeitslose Menschen zur Selbstverständlichkeit werden. Für sie soll das zumutbar werden, was für viele Teilnehmer des Arbeitsmarktes bereits alltägliche Praxis ist.
600.000 Österreicherinnen und Österreicher nehmen längere Pendlerstrecken oder einen Umzug in Kauf, um arbeiten zu können. Es ist nicht argumentierbar, dass für Arbeitslose ohne Betreuungspflichten die üblichen Pendlerdistanzen auf Grund des sogenannten "regionalen Berufsschutzes" nicht zumutbar sein sollen. Stand heute ist, dass Arbeitslose kaum über die Gemeindegrenzen hinaus vermittelt werden. Hier wäre eine Lösung erstrebenswert, die von der Fixierung auf die Region abgeht und stattdessen die Zumutbarkeit eine Arbeitsstelle anzunehmen, anhand vertretbarer Fahrtzeiten festgelegt wird.
Mehr Zumutbarkeit wäre auch beim Berufsschutz angebracht. Faktum ist, dass Arbeitnehmer schon jetzt nicht damit rechnen (können) ein Arbeitsleben lang ein und den selben Beruf auszuüben. Es ist nicht argumentierbar, dass dies bei Arbeitslosen nicht der Fall sein soll. Stand heute ist, dass ein Arbeitsloser bis zu einem Jahr lang eine Stelle nicht annehmen muss, wenn diese nicht seiner vorherigen beruflichen Tätigkeit entspricht.
Hier müsste eine Verkürzung der Verweildauer das Ziel sein, etwa die Reduktion der Nichtannahmepflicht auf ca. drei Monate. Wenn dies kombiniert würde mit einem wirtschaftlich vertretbaren Einkommensschutz (d.h. Prozentanteil des Letztgehalts ab welcher die Stelle angenommen werden muss) wäre beiden Seiten gedient. Der Wirtschaft und den Betroffenen.
Vor wenigen Jahren wurden in Österreich noch über 130.000 Kinder pro Jahr geboren. In nicht einmal 40 Jahren werden es nur mehr knapp über 70.000 Geburten sein. 2,8 Millionen Menschen werden dann über 60 Jahre alt sein. Diese Entwicklungen haben massive Auswirkungen auf die künftige Finanzierbarkeit unserer Sozialsicherungssysteme. Eine (noch) "familienfreundlichere" Politik allein ist kein Korrektiv. Not tun Reformen, die mit der jahrzehntelang gepflegten Vollkasko-Versorgungsstaat-Mentalität aufräumen. Nicht gegen die Menschen, wie sooft vordergründig polemisiert wird, sondern im Interesse der Menschen und ihrem berechtigten Bedürfnis nach (finanzierbarerer) sozialer Sicherheit und gesellschaftlicher Anerkennung. Die Vermittlung Arbeitsloser und eine Modernisierung der Zumutbarkeitsbestimmungen für arbeitslos gewordene Menschen, ist dabei ein zentraler Punkt. Das hat nichts mit sozialer Kälte zu tun: In Wahrheit liegt das Glück des Einzelnen doch darin, etwas aus seiner eigenen Arbeitskraft zu machen.
Karlheinz Kopf ist Generalsekretär des ÖVP-Wirtschaftsbundes