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Libanons Hisbollah im Aufwind. | Selbst Konflikte zwischen Sunniten und Schiiten treten in den Hintergrund. | Beirut. (dpa) In diesen Kriegstagen gibt es im Libanon und auch in anderen arabischen Ländern kaum jemanden, der nicht begeistert den "heldenhaften Widerstand" der Hisbollah gegen Israel lobt. Selbst die üblichen Animositäten zwischen Sunniten und Schiiten treten in den Hintergrund. Auch der vor Beginn der Kampfhandlungen noch so tiefe Graben zwischen dem pro- und dem anti-syrischen Lager im Libanon ist kaum mehr erkennbar.
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Sogar Regierungschef Fouad Siniora kann nach dem verheerenden israelischen Luftangriff in Kana kaum noch anders, als dem untergetauchten Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah "und allen Märtyrern, die für die Unabhängigkeit des Libanons ihr Leben gelassen haben", Tribut zu zollen. Bisher war Siniora einer der schärfsten Kritiker der Hisbollah-Allianz mit Syrien und dem Iran gewesen.
Doch es ist sind nicht nur die israelischen Bomben und Raketen, die neben den Hisbollah-Kämpfern auch Zivilisten, internationale Militärbeobachter und Krankenwagen treffen, die eine Welle der Solidarität mit der Hisbollah ausgelöst haben. Nein, die Araber und Muslime sind der pro-iranischen Miliz vor allem dankbar dafür, dass sie den Mythos der Unverwundbarkeit Israels erschüttert haben. Trotz ihrer technologischen Überlegenheit sei die israelische Armee nicht in der Lage zu verhindern, dass ein Teil der Bevölkerung in Bunker flüchten muss, kommentiert die jemenitische Wochenzeitung "Yemen Times" mit Genugtuung. Der Kommentator schwärmt: "Die Hisbollah hat es geschafft, die gesamte muslimische Welt zu vereinen, von Indonesien bis Mauretanien."
Der arabische Nachrichtensender Al-Jazeera nennt den bewaffneten Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah den "sechsten Krieg", und reiht ihn damit in die Serie der arabisch-israelischen Kriege ein, von 1948 über die Suez-Krise 1956, den Sechstagekrieg von 1967, den Oktober-Krieg 1973 bis 1982, als die israelische Armee in Beirut einmarschierte und die PLO vertrieb.
"Der Sieg des Widerstandes wird allen Libanesen gehören", tönt Hassan Nasrallah jetzt schon, obwohl von einem Sieg der Hisbollah im militärischen Sinne keine Rede sein kann. Schließlich ist die israelische Armee einige Kilometer auf libanesisches Territorium vorgerückt und hat mit ihren Luftangriffen einen Teil der Infrastruktur des Landes zerstört.
Doch für die meisten Araber, die sich noch gut an die vernichtenden Niederlagen erinnern können, die Israel ihren Armeen in den verschiedenen Nahost-Kriegen beigebracht hatte, ist es schon ein Sieg, dass es Israel bisher nicht gelungen ist, die militärische Schlagkraft der Hisbollah erheblich zu beeinträchtigen. Staatspräsident Emile Lahoud erklärt: "Israel wollte bis zum Litani-Fluss einmarschieren, die Hisbollah entwaffnen und uns seine Bedingungen aufzwingen, nichts davon hat Israel erreicht."
Moralisch fühlen sich die Hisbollah-Anhänger ohnehin schon als Sieger. "Gott wird uns helfen, denn er ist mit den Gerechten", ruft eine alte Frau, die in die Bekaa-Ebene geflohen ist, weil ihr Haus in Aitashaab nahe der israelischen Grenze nur noch ein Trümmerhaufen ist. Und die französischsprachige libanesische Tageszeitung "L'Orient - Le Jour" fragt am Tag nach dem Blutbad von Kana: "Will Israel denn alle Libanesen zu Hisbollah-Anhängern machen?"