Wo die derzeitige Explosion der Energiekosten auf Armut trifft, gibt es akuten Erklärungsbedarf. Mit der sozialen Energieberatung kommt Wissen - und damit die Fähigkeit, Kosten zu sparen - in betroffene Haushalte.
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Wenn Menschen vor der aktuellen Energiekrise ihre monatlichen Rechnungen schon kaum bezahlen konnten, sind sie aufgrund der hohen Energiekosten jetzt akut gefährdet. Gerade sie leben aber oft in schlecht isolierten Häusern, deren Heizung nicht auf dem neuesten Stand ist. Sanierungen können sie sich ebenso wenig leisten wie neue Elektrogeräte. Denn all das kostet viel Geld.
Wie bekommen diese Menschen, die es am nötigsten brauchen, das Wissen, wie man Energiekosten einspart? Über die bereits etablierte Sozialberatung ist der Zugang hierfür jedenfalls einfacher als mit extra Angeboten zum Thema. Da lag es nahe, Sozialberatung mit Energieberatung zu verbinden. - Und schon liegt ein österreichisches Vorzeigeprojekt auf dem Tisch: die soziale Energieberatung. Sie kam Anfang dieses Jahres gerade rechtzeitig, als die Situation für viele einkommensschwache Haushalte existenzbedrohlich wurde.
Vorzeigeprojekt
Was so logisch und einfach klingt, dem gehen allerdings jahrelange Anstrengungen voraus, sowie die Ungewissheit, ob das Projekt jemals umgesetzt würde, erzählt Barbara Alexander-Bittner im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Die Idee war schon lange in den Köpfen, dann kam die Energiekrise. Und plötzlich brauchten alle Beratung."
Anfang 2023 lief das Herzensprojekt der Klimaaktiv-Beraterin von der Österreichischen Energieagentur dann tatsächlich vom Stapel. Seither erregt es viel Interesse, auch in anderen Ländern. "Sozialberater kennen die Situation in den betroffenen Haushalten, wissen aber wenig zum Thema Energie. Energieberater kennen sich hingegen vor allem technisch aus. Wir brauchten also zusätzliche Qualifikationen für beide Seiten", erzählt sie von der Ausgangslage.
Ein Leitfaden aus langjährigen Erfahrungen von Sozialarbeitern ebenso wie Energieberatern wurde erstellt, mehrsprachige Betreuung ebenso wie mehrsprachige Unterlagen zum Thema waren ein selbstverständlicher Bestandteil des Ganzen. "Die Informationen waren da, aber man musste sie erst zusammentragen", erzählt die Klimaaktiv-Beraterin.
Die Nachfrage nach entsprechenden Aus- und Weiterbildungsangeboten "sprengt inzwischen alle Rekorde, wir werden überrannt." 200 Sozialarbeiter haben mittlerweile die ersten beiden Ausbildungsmodule durchlaufen. Auch unter den 400 Energieberatern, die es österreichweit gibt, herrscht reges Interesse am Zusatzwissen. "Die Energieberater bekommen soziales Wissen, die Sozialberater technisches Wissen in diesen Ausbildungen. Sie lernen auch voneinander", erläutert Alexander-Bittner.
Insgesamt vier Module gibt es, wobei nicht jeder alles davon braucht. Modul 1 etwa vermittelt "Basiswissen" zu Heizen und Strom - das sei "nicht so interessant" für Energieberater, erläutert sie. Parallel gebe es noch monatliche Vernetzungstreffen für den Austausch zwischen Energie- und Sozialberatern. Ziel des Ganzen ist es jedenfalls, mehr Aufmerksamkeit für das Thema Energie zu schaffen und durch die Bewusstseinsbildung bei den Betroffenen wieder Handlungsfähigkeit zu erlangen, erklärt sie.
Hürdenlauf
Die erste Hürde war es, überhaupt einmal in Kontakt mit den betroffenen Menschen zu kommen. Gerade einkommensschwache Haushalte sind nämlich klassisch, etwa über Briefe, die Hausverwaltung oder den Vermieter, teils nur schwer erreichbar. Zudem grassiert dort, wo Wissen fehlt Angst, so manches Mal sogar der Verdacht, betrogen oder übervorteilt zu werden. "Es gibt dann viele Vermutungen, dass die Rechnung nicht stimmt, dass jemand Strom stiehlt", hat Alexander-Bittner erfahren.
Zudem galt es auch so manche Sprachbarriere zu überwinden. Mehrsprachige Berater, die das komplexe Thema, etwa auf Farsi oder Arabisch, erklären können, sowie der Kontakt über die entsprechende Community hat den Einstieg hier erleichtert. Dann sprach es sich schnell herum, dass es da eine Energieberatung gibt, die ins Haus kommt, die hilft, Rechnungen zu verstehen und Lösungen gegen Zahlungsunfähigkeit findet.
Einsparpotenzial gebe es fast immer, auch wenn das teils nur Nebeneffekte für die schwierige Gesamtsituation seien, wäre es dennoch eine wichtige Entlastung für die armutsbetroffenen Haushalte, so lauteten die Rückmeldungen. Und oft waren es ganz einfache Dinge, die Erleichterung brachten, hat man festgestellt: eine farbige Mappe, um Rechnungen zu sammeln, Raumthermometer, um die Temperatur zu kontrollieren und so die Heizung sparsamer nützen zu können.
Wissenslücken
"Das größte Aha-Erlebnis kommt meist in der ersten halben Stunde. Da sagen viele: ‚Ach so, es ist gar nicht der Strom, die Heizung ist es, die die hohen Kosten verursacht!‘", erzählt Alexander-Bittner. Dass etwa 70 Prozent der Energie für Wärme aufgewendet werden, wie der Strom eigentlich in die Steckdose kommt oder auch was für eine Art von Heizung man überhaupt hat - es fehlt überall an Wissen.
"Wir haben schon Bürgermeistern erklärt, dass bei einem Wechsel des Stromanbieters nicht das Netz gewechselt werden muss", lacht sie. Wie das Stromnetz funktioniert, was eigentlich eine Kilowattstunde ist und wie man die Strom- und Heizkostenrechnungen versteht - "Das Wissen um Energie ist in Österreich noch ausbaufähig", fügt sie trocken hinzu.
Oft hätten Frauen aus dem arabischen Raum sowie den ehemaligen Ostblockstaaten mehr Wissen um Energieerzeugung, Leistung und Spannung, räumt sie Vorurteile aus, dass vor allem Migranten unwissend wären. Bei der Beratung geht es daher immer sehr praxisbezogen zu: Wo ist der Thermostat, ist dieser womöglich falsch montiert? Wie rechnet man seinen Energieverbrauch aus und was ist für einen Haushalt dieser Größe überhaupt normal?
Undichte Fenster, zugebaute Heizungskörper, Sanierungsbedarf oder auch der kostenfreien Austausch alter und somit energieintensiver Elektrogeräte könnten dann über diverse Unterstützungsschienen (siehe Kasten) mithilfe der sozialen Energieberatung eingeleitet werden.
Wissen um Energie, wie sie erzeugt, gemessen und geliefert wird, das ist mittlerweile schon fast zu einer Überlebensfrage für einkommensschwache Haushalte geworden. Denn werden die Rechnungen zu hoch und können nicht mehr bezahlt werden, kappt der Energieversorger die Leitungen. Und dann stehen die Betroffenen schnell vor einer existenzbedrohenden Situation.
Die soziale Energieberatung habe "einen Nerv getroffen", setze da an, wo Erklärungsbedarf und Hilfe benötigt werden, freut sich Barbara Alexander-Bittner darüber, dass das richtige Projekt zur richtigen Zeit fertig wurde.
Anerkennung bekam die österreichische Initiative übrigens zuletzt auf Arnold Schwarzeneggers "Austrian World Summit". Der Umweltkongress in der Wiener Hofburg setzte Schlaglichter auf bemerkenswerte Projekte rund um das Thema Energie, und die soziale Energieberatung war dann eines davon.
Weiterführende Informationen
Die Caritas-Energiesparberatung unterstützt dabei, die Energiekosten im Haushalt zu senken. Nach einer Erstberatung werden mit Energiesparberatern Elektrogeräte auf ihren Verbrauch überprüft und Maßnahmen besprochen. Die Beratung ist ein Programm des Klima- und Energiefonds der österreichischen Bundesregierung.
www.caritas.at/hilfe-angebote/
angebote/nothilfe/energiesparberatung
Der Wohnschirm schützt vor Wohnungsverlust und bei Problemen mit zu hohen Energiekosten. Er kann Mietschulden übernehmen, bei einem Umzug finanziell unterstützen oder Energierechnungen begleichen. https://wohnschirm.at/
Die Aktion "Sauber Heizen für Alle" unterstützt den Ersatz eines fossilen Heizungssystems durch eine klimafreundliche Technologie in einkommensschwachen privaten Haushalten. Antragsberechtigt dafür sind Eigentümer eines Ein-/Zweifamilienhauses oder Reihenhauses (Anteil mindestens 50 Prozent) mit Hauptwohnsitz am Projektstandort.
www.umweltfoerderung.at/
privatpersonen/sauber-heizen-fuer-alle-2023
Weiterbildungsreihe Soziale Energieberatung:
www.klimaaktiv.at/bildung/
weiterbildungen/management_beratung/soziale-
energieberatung.html