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Den Orangen bleibt das Pech treu Schwarz und Blau profitieren davon

Von Walter Hämmerle

Analysen

Langsam lichten sich die Nebel, die den Blick auf den Parteiaustritt von Justizministerin Karin Gastinger just sechs Tage vor der Nationalratswahl behinderten. Folgendes kann dazu vorläufig festgehalten werden:


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Gastingers Coup war offensichtlich doch nicht ganz so frei von jedem strategischen Kalkül. Ansonsten ließe sich nur schwer eine Erklärung für die spontane Gründung einer Personen-Initiative mit namhaften Juristen und Rechtspolitikern finden, die nun für einen Verbleib Gastingers als Ministerin in Inseratenform wirbt. Die Initiative dazu ging eindeutig vom unmittelbaren Umfeld Gastingers aus. Noch nicht bekannt ist allerdings, wer für die Inseratenkosten aufkommt.

Ein Grand Design von ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel scheint nicht hinter dem Schritt Gastingers zu stecken. Daran ändern auch entgegengesetzte Vermutungen von BZÖ, SPÖ und FPÖ wenig.

Das Zögern der ÖVP, Gastinger ein klares Angebot zu legen, auch nach den Wahlen als parteifreie Justizministerin weiterzumachen, ergibt sich aus einer nüchternen Kosten-/Nutzenanalyse aus Sicht der Kanzlerpartei: Die Kärntnerin ist zweifellos sympathisch, eine Stimmenfängerin wie weiland Karl-Heinz Grasser ist sie jedoch in keiner Weise. Hinzu kommen ideologische Inkompatibilitäten im gesellschaftspolitischen Bereich: Vor allem der Einsatz Gastingers für ein liberaleres Familienrecht, insbesondere die Frage homosexueller Partnerschaften, hätte ein für die ÖVP zentrales Wählersegment aufgeschreckt.

Dennoch zählt die Volkspartei zu den größten Nutznießer der ganzen Aufregung. Geschickt zog sie die Spekulationen über ein ÖVP-Ticket für die Ministerin in die Länge. Die von der SPÖ so heftig thematisierte Sofia-Reise Schüssels auf Kosten der Bawag verschwand über Nacht aus den Schlagzeilen: Und einmal mehr kann sich die ÖVP als Partei der Mitte und stabilen Anker positionieren.

Nutznießer ist weiters auch die FPÖ. Der Schritt Gastingers ist idealer Beweis für deren Argumentation, beim orangen Spaltprodukt BZÖ handle es sich insgesamt um einen zusammengewürfelten Haufen, dessen Gründung nur dem Zweck der eigenen Karrieresicherung diente.

Für das BZÖ gleicht dieses Wahlkampffinale einem "Worst case"-Szenario. Weniger aufgrund der realen Stimmenverluste, die Gastingers Abgang tatsächlich mit sich bringt. Die werden, so sind sich fast alle Beobachter einig, kaum ins Gewicht fallen. Mit dem Antreten Peter Westenthalers setzte das BZÖ konsequent auf das Ausländer-Thema, Gastinger passte da von Anfang nicht mehr so recht ins Bild.

Fatal ist für die Orangen vor allem das negative Signal, dass offensichtlich nicht einmal mehr die höchsten Funktionäre an einen Wiedereinzug des BZÖ in das Parlament glauben. Gastingers Schritt passte zu einem orangen Wahlkampf, der von zahlreichen Pannen wie den Niederlagen beim Streit um Listennamen und Listenplatz geprägt war.