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Den ORF neu positionieren

Von Herwig Hösele

Gastkommentare

Wäre es nach den Technikern der Macht der nicht mehr so großen Koalition gegangen, hätten wir heute schon eine neue, ihnen genehme ORF-Spitze. Jetzt aber gibt es vor allem dank des Drucks der Zivilgesellschaft und der Medien am Donnerstag eine parlamentarische ORF-Enquete.


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Beim ORF haben Parteien meist nur die Postenbesetzung mit Vertrauensleuten und ihre maximale Bildschirmpräsenz im Sinn. Daher versucht jede Parlaments- oder Regierungsmehrheit nach jeder Wahl, möglichst rasch und brutal zuzugreifen (eines der gravierendsten Probleme des ORF), statt drängende Strukturprobleme zu bewältigen.

Und die werden tatsächlich von immer größer. Ein AUA- und Verstaatlichten-Schicksal ist zu befürchten. Der Marktanteil sank von mehr als 50 Prozent 1999 auf 34 Prozent im Juli 2009 in den Kabel- und Satellitenhaushalten, wobei nur 11,6 Prozent auf ORF1 und 22,4 Prozent ORF2 entfallen. Die Werbeeinnahmen fielen von 365,2 Millionen Euro 2000 auf rund 220 Millionen heuer, die Gebühreneinnahmen stiegen im selben Zeitraum von 369,7 auf 527 Millionen an. Die Bilanzen der Jahre 2008 und 2009 sind tiefrot.

ORF1 ist spätestens seit der 2007 von Alexander Wrabetz vollmundig verkündeten "größten Programmreform" mit dem Ende der "ZiB"-Durchschaltung, die sich als Quoten-Supergau herausgestellt hat, nicht mehr von den deutschsprachigen gebührenfreien Kommerzsendern zu unterscheiden und hauptsächlich ein Abspielkanal für US-Filme.

Die Gebührenlegitimation des ORF aber erfordert zwingend ein unverwechselbares öffentlich- rechtliches Profil. Dazu einige Vorschläge:

* Verzicht auf ORF1 und Werbung bei gleichzeitigem Ersatz der Gebührenbefreiungen, dafür Konzentration auf den öffentlich-rechtlichen Auftrag von ORF2 plus Spartenkanäle (Info &

Doku, Kunst & Kultur, Kinder, Sport), "Morgenshow mit News" und entsprechendes Internetangebot. Die Landesstudios sollten durchaus mehr Programmverantwortung übernehmen.

* Die Valorisierung der Gebühren sollte einem unabhängigem Gremium übertragen werden.

* Für den kommerziellen Sender ORF1 und gewisse Programmformate sind durchaus Kooperationen mit Privaten unter ORF-Dach denkbar.

* Um der Einflussnahme der Politik, die sowohl der Kontinuität als auch der Unabhängigkeit schadet, einen Riegel vorzuschieben, wären erstens ein Ausschluss der Betriebsräte von der Wahl der Geschäftsführung und zweitens ein den Parlaments- und Regierungsmehrheiten entzogenener Aufsichtsrat nötig. Dieser könnte erstmalig mit Zweidrittelmehrheit des Parlaments (die große Koalition verfügt darüber derzeit nicht und braucht die Opposition) eingesetzt werden, aus Fachleuten bestehen und sich dann selbst ergänzen.

Es gilt jedenfalls im demokratie- und kulturpolitischen Interesse den ORF als starkes öffentlich-rechtliches Leitmedium zu positionieren.

Herwig Hösele ist Sekretär der Initiative Mehrheitswahlrecht.