)
Familientraditionen spielen wichtige Rolle. | Arztberuf bedeutet Aufstieg in Gesellschaft. | Wien. Behrooz Salehi ist Facharzt für Allgemeinchirurgie. Bei seiner Berufswahl haben familiäre Traditionen eine große Rolle gespielt. "Die Medizin ist in meiner Familie seit Generationen verankert", berichtet der 48-Jährige. Sein Urgroßvater Ebrahim Moddaresi gehörte vor mehr als 100 Jahren zu den bekanntesten persischen Ärzten im Iran. Die Erzählungen in der Familie über den ersten Chirurgen waren für ihn prägend.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Salehi ist nicht der einzige österreichische Mediziner mit iranischen Wurzeln. Im Gegenteil: Persische Ärzte prägen die Krankenhäuser Österreichs. 13.000 gebürtige Iraner leben hierzulande laut Statistik-Austria, mehr als 1000 davon arbeiten als Ärzte. Der kulturelle persische Hintergrund ist bei der Behandlung sogar ein Vorteil, meint Behrooz Salehi: "Die Österreicher akzeptieren unsere Kultur besser; sie fühlen sich bei persischen Ärzten wohl, weil sie merken, dass wir ein Ohr für sie haben."
Teil der persischen Tradition
Der Arzt-Beruf ist in vielen persischen Familien hoch angesehen. "Es besteht kein Zwang in der Familie, Medizin zu studieren, aber als Arzt ist man über alles erhaben. Die ganze Familie spricht über einen. Es hat auch was mit Prestige zu tun", erzählt die Allgemeinmedizinerin Amita Shabpar. Ebenso unterstreicht Siroos Mirzaei, Primar an der nuklearmedizinischen Abteilung des Wilhelminenspitals: "Im Iran wird von einem erwartet, dass man entweder Arzt oder Diplom-Ingenieur wird." Der 48-jährige Chefarzt wollte anfangs eigentlich kein Mediziner werden, sondern sich der Technik widmen. Doch schließlich fügte er sich dem Wunsch seines Vaters, der auch seine Reise nach Österreich unterstützte, um hier Medizin zu studieren. Heute ist er "Arzt aus Überzeugung".
Warum gerade so viele Iraner Medizin studieren, beantwortet der 48-jährige mit der Geschichte. Einige der wichtigsten medizinischen Errungenschaften kommen aus Persien. Mirzaei verweist auf den persischen Arzt und Physiker Avicenna (980 bis 1037, persisch: Abu Ali Sina). Der Gelehrte hat mit seinem Handbuch "Kanon der Medizin" (Quanun al-Tibb) eines der wichtigsten medizinischen Standardwerke verfasst, das bis zum Anfang der modernen Medizin von großer Bedeutung war. Der Bezug zur Geschichte und Tradition verbindet viele iranische Mediziner, auch wenn ihre Gründe für die Berufswahl verschieden sind.
Anders als Siroos Mirzaei hat sich etwa Amita Shabpar mit ihrem Beruf einen Kindheitstraum erfüllt: "Seit dem ich denken kann, wollte ich Ärztin werden." Die Fachärztin für physikalische Medizin und Rehabilitation ist eine von vielen persischen Akademikerinnen. Mehr als 65 Prozent aller Studenten im Iran sind weiblich - eine Frauenquote, die im Nahen Osten ihresgleichen sucht.
Uni-Abschluss ist begehrt
Shabpar verweist darauf, dass Bildung allgemein einen hohen Stellenwert in der iranischen Gesellschaft hat. Dabei erinnert sie an ein Sprichwort aus ihrer Schulzeit: "Suche das Wissen, von der Wiege bis zum Grabe". Im hohen Stellenwert des Universitätsstudiums sieht auch Bamdad Heydari - er ist wie Mirzaei Oberarzt im Wilhelminenspital - einen Grund für die vielen iranischen Ärzte: "Studieren ist unter Persern sehr beliebt: Ingenieurwesen, Medizin, Informatik - aber auch andere Studienrichtungen."
Für die hohe Akademikerquote und die damit einhergehende hohe Anzahl persischer Mediziner hierzulande könnte es auch einen weitere Grund geben: Unter den politischen Flüchtlingen aus dem Iran waren überdurchschnittlich viele Intellektuelle. Doch davon abgesehen stellt der Beruf des Arztes im Iran für alle ein Sprungbrett in eine höhere Gesellschaftsebene dar: "Ich wollte durch meine Liebe zum Beruf auch sozial in das oberste Drittel der Gesellschaft aufsteigen, das wurde mir schnell klar", erzählt Bamdad Heydari. Der 45-jährige Allgemein- und Nuklearmediziner fand schon als Kind in seinem Onkel einen medizinischen Mentor.
Sowohl Heydari, als auch Amita Shabpar kamen in jungen Jahren nach Österreich, um Medizin zu studieren. Ähnlich verlief die Geschichte vieler anderer Iraner ihrer und der nachfolgenden Generation in Österreich. Die meisten haben sich nach dem Studium hier ein neues Leben aufgebaut und sind geblieben.
Aber nicht alle haben sich niedergelassen: "Viele sind auch in die USA weitergereist, weil man dort als Arzt besser verdienen kann", erinnert sich Shabpar. Für sie hat ihre Tätigkeit als Ärztin vor allem zwei Bedeutungen: die Liebe zum Beruf und das gesellschaftliche Ansehen, das damit verbunden ist: "Ich kann Menschen helfen, ich habe meinen Titel und darauf bin ich stolz."
Tatsächlich genießt die Berufsgruppe der Ärzte - laut der aktuellsten Readers-Digest-Umfrage - auch in der österreichischen Gesellschaft mit 90 Vertrauensprozenten ein besonders hohes Ansehen.