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Martin Nesirky, Direktor des Informationsservice der UNO in Wien über nachhaltige Entwicklung.
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<p>Wien. Am 24. Oktober wird auch in der UNO-City in Wien der Tag der Vereinten Nationen gefeiert. Er steht heuer unter den ehrgeizigen 17 neuen Entwicklungszielen, den "Sustainable Development Goals" (SDGs). Diese Weltagenda ist am 1. Jänner 2016 in Kraft getreten und definiert die Arbeit der UNO bis ins Jahr 2030. Extreme Armut und Hunger soll es nicht mehr geben, die Welt soll gerechter werden. Für Martin Nesirky ist das keine Utopie.<p>"Wiener Zeitung": Die Welt ist geprägt von Kriegen, Konflikten, Armut und Hunger. Wie ist Ihre Einschätzung?
<p>Martin Nesirky: Wir leben in turbulenten Zeiten. Diese Art von Unsicherheit spiegelt sich jeden Tag in den Schlagzeilen wider. Aber: Es ist auch eine Zeit der Hoffnung. Eine Möglichkeit, den Planeten wieder auf die richtige Schiene zu bringen, sind die 17 SDGs. Dafür haben wir 15 Jahre Zeit.<p>Das hört sich nach einem ungeheuren Kraftakt an. Wer macht mit?<p>Es ist eine Weltagenda. Und die Bandbreite potenzieller Partner ist enorm. Die Schlüsselfaktoren liegen in Partnerschaften, in der Zusammenarbeit aller. Nationale Regierungen, der private Sektor, die gesamte Zivilgesellschaft, der normale Bürger sind gefordert. Jeder ist Teil davon.<p>Wiens Bürgermeister Häupl hat im April anlässlich eines Besuchs von UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon eine Erklärung unterschrieben.<p>Michael Häupl und das Rathaus haben sich ganz klar für die Ziele ausgesprochen. Symbolhaft für die Einigkeit wurden zwei Poster mit den Entwicklungszielen, eines auf Englisch, das andere auf Deutsch, unterzeichnet und aufgehängt.<p>Was hat Wien noch zu tun?<p>Die 17 nachhaltigen Ziele haben für jedes Land, jede Stadt, jede Behörde eine andere Auswirkung. Die 193 UNO-Mitgliedsländer befinden sich freilich auf unterschiedlichen Entwicklungsniveaus. So auch Wien: Es gibt hier exzellente öffentliche Verkehrsmittel, man nimmt den Umweltschutz ernst und ist fortschrittlich in vielen Bereichen. Also könnte der Fokus auf andere Bereiche gelegt werden. Auf Flüchtlinge und Migranten, auf Integration und Toleranz beispielsweise.<p>Wo erfährt der Normalbürger, wie er dazu beitragen kann?<p>Wir haben zum Beispiel spezielle Tools wie eine App für Smartphones entwickelt. Sie heißt "SDGs in Action". Dort kann man einen für sich selbst wichtigen Bereich herauspicken.<p>Ein Weckruf für den klassischen Couch-Potato, von Zuhause die Welt zu verändern?<p>Ein kleiner Schritt wäre eben sprichwörtlich einen Schritt zu tun und das Auto stehen zu lassen. Die interaktive Vernetzung in den sozialen Medien erhöht die Durchschlagskraft. Es ist wichtig, dass sich Menschen zusammentun und austauschen. Wir glauben besonders an das Potenzial von jungen Menschen, die so die Chance ergreifen ihre Zukunft mitzugestalten. Auch Schulen sind willkommen, Initiativen zu starten.<p>Macht es denn Sinn, solche globalen Projekte zu evaluieren?<p>Frühe Anzeigewerte sind wichtig, um den Maßstab zu halten. Folglich müssen wir das Fortkommen mit speziellen Indikatoren messen. Heuer im Juli gab es ein Pilotprojekt: 20 Mitgliedstaaten haben der UNO berichtet, wie weit sie mit der Umsetzung der Ziele gekommen sind und wie es ihnen dabei ergangen ist. Die Ergebnisse haben bestätigt, dass wir den richtigen Kurs eingeschlagen haben. Auch Österreich hat einen guten Job in der Umsetzung der Ziele gemacht, viele wurden bereits in den relevanten Ministerien implementiert.<p>Kann man jemanden zwingen?<p>Nein! Da gibt es einen moralischen Imperativ. Die Agenda 2030 wurde im September letzten Jahres von allen Weltpolitikern metaphorisch vor den Augen der Welt unterzeichnet. Es ist entscheidend, dieser Maxime zu folgen. Die Zivilgesellschaft und die Medien müssen verfolgen, ob und wie man sich daran hält.<p>2030 nähert sich rascher, als man glaubt. Wäre das Jahr 2040 oder 2050 für die Erreichung dieser globalen Ziele realistischer?<p>Es ist ein Work in Progress. Der Zeitraum von 15 Jahren ist angemessen. Man muss bedenken, dass die 17 Ziele alle in- und miteinander verwoben sind. Sie sind universell, also nicht nur die Entwicklungsländer betreffend. Es ist machbar. Das ist auch die Meinung von UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon. Er hat wiederholt von einem inspirierenden Ziel gesprochen. Von Frieden und Wohlstand, ohne die Erde weiter zu schädigen.<p>Schillernde Unterstützung kommt von Prominenten wie Meryl Streep, Stephen Hawking, Jennifer Lopez und Malala.<p>Im Spot "We the People for the Global Goals" geht es darum, dass ein Leben in Würde möglich ist. Niemand soll zurückgelassen werden.<p>Kritische Kommentare reichen von "utopisch" bis "weltfremd".<p>Jedes Individuum hat das Recht, seine oder ihre Meinung auszudrücken. Sei es im positiven oder negativen Sinn. Man kann nicht davon ausgehen, dass alle mit ihren Regierungen, ihrer Lebenssituation oder der Arbeit der UNO zufrieden sind. Wir wollen dem Ganzen auch einen Kick geben. Jede Reaktion ist fantastisch, das heißt, dass die Botschaft angekommen ist.<p>Bestimmt diese Zukunftsagenda auch die Zukunft der UNO?<p>Die Vereinten Nationen befinden sich im Übergang. Zum einen, weil die einzelnen Internationalen UN-Organisationen durch die SDGs noch enger zusammenarbeiten. Es ist wie ein bunter Faden, der sich um die verschiedenen Bürotürme schlingt. Zum anderen wird mit Jahresende António Guterres den Platz von Ban Ki-moon einnehmen. Es ist spannend, was in den nächsten zehn Jahren erreicht werden könnte.<p>Werden 71 Jahre "Vereinte Nationen" auch in Wien gefeiert?<p>Es ist ein ganz normaler Arbeitstag. Am Abend gibt es im Rahmen von Ciné-ONU eine Filmvorführung im Topkino. Zwei italienische Regisseure zeigen den Film "Bring the Sun Home". Darin reisen zwei Frauen aus Zentralamerika nach Indien, um sich die Technologie von Solarlampen anzueignen und diese mit nach Hause zu nehmen. Der Film zeigt also auch, dass das Unmögliche möglich ist.
Martin Nesirky ist seit April 2014 Direktor des Informationsbüros (UNIS) in Wien. Zuvor war er Pressesprecher des amtierenden Generalsekretärs Ban Ki-moon, davor Sprecher der OSZE in Wien. Von 1982 bis 2006 arbeitete er für Reuters in London, Moskau, Berlin, Den Haag und Seoul.
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