Jene Gruppe, die noch nicht weiß, wen sie wählen soll, könnte die Wahl entscheiden. Beide Kandidaten buhlen um deren Gunst.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. In der eigenen Wählerschicht ist die Wahl für die Präsidentschaftskandidaten Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer zu einem guten Teil schon gelaufen. Jene, die beim ersten und zweiten Wahlgang ihren Kandidaten gewählt haben, werden das diesmal wohl auch wieder tun. Dazwischen ist allerdings noch eine Gruppe Unentschlossener und Nichtwähler, um die beide Kandidaten so kurz vor der Wahl noch werben.
"Die entscheidende Frage ist: Für wen bin ich und für wen gehe ich überhaupt zur Wahl?", sagt Politologe Peter Filzmaier im Gespräch. Laut Daten des Forschungsinstituts Sora gelten noch zwei bis drei Prozent der Wahlberechtigten als unentschlossen und noch mobilisierbar. Diese zwei bis drei Prozent könnten angesichts des knappen Rennens, das sich laut Umfragen wieder abzeichnet, das Zünglein an der Waage sein.
"Die meisten Wähler haben ja schon am 22. Mai eine Wahlentscheidung getroffen", sagt Günther Ogris, Geschäftsführer von Sora. Die Wahlbeteiligung steige vor allem in den letzten Tagen vor der Wahl massiv an. Und am stärksten wirke die Mobilisierung auf informeller Ebene. Also Gespräche mit Freunden und Familie, erklärt Ogris.
Heiß umkämpfte ÖVP-Wähler
In den letzten Wochen und Monaten haben beide Kandidaten besonders intensiv um die Gunst der traditionellen ÖVP-Wähler geworben. Van der Bellen besuchte in Tracht unzählige kleine Gemeindefeste in ganz Österreich. Und Norbert Hofer bemüht sich um das Image des gemäßigten, mehrheitsfähigen Staatsmanns, der christliche Werte hochhält.
In dieser Gruppe steckt auch viel Stimmenpotenzial. Laut Sora haben bei der Stichwahl am 22. Mai 44 Prozent der ÖVP-Wähler Alexander Van der Bellen gewählt, 40 Prozent Norbert Hofer und 16 Prozent sind zu Hause geblieben. "Diese Wählergruppe ist derzeit am stärksten gespalten", mein Ogris. Und diese Spaltung zieht sich bis hinauf in die Parteispitze. ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka hat zuletzt seinen ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner mit einer Wahlempfehlung für Norbert Hofer verärgert. Letzterer gab wiederum an, Van der Bellen wählen zu wollen.
Außerdem unterstützen zahlreiche ÖVP-Bürgermeister offen Van der Bellen. Filzmaier hält das übrigens für die bessere Wahlwerbung "als jede Promi-Unterstützung". Aber eigentlich wollte die ÖVP ja keine Wahlempfehlungen abgeben.
Insgesamt haben 1,9 Millionen Menschen im ersten Wahlgang im April einen anderen Kandidaten als Hofer oder Van der Bellen gewählt. Dann, am 22. Mai hat ein großer Teil dieser Menschen einen der beiden Stichwahlkandidaten gewählt. Fraglich ist nun, ob sie wieder zur Wahl gehen werden.
Rund zwei Millionen Wähler sind bei der aufgehobenen Stichwahl gar nicht wählen gegangen. Von ihnen gelten 10 bis 15 Prozent als verloren, erklärt Filzmaier. Das ist jene Gruppe, die auch bei Gemeinderats- und Nationalratswahlen kaum bis gar nicht zu mobilisieren ist; also Menschen, die gar kein Interesse an Politik haben, politikverdrossen sind oder deren Erwartungen in früheren Wahlen mehrmals enttäuscht wurden.
Zwischen laut und leise
Beim Rest steckt allerdings Rekrutierungspotenzial. Und für die Kandidaten selbst ist das eine Gratwanderung. Denn um die Nichtwähler zu mobilisieren, müssen sowohl Hofer als auch Van der Bellen härtere Töne anschlagen, erklärt Filzmaier. Die FPÖ - "nicht Norbert Hofer selbst" - versuche, so Ogris von Sora, Van der Bellen als zu alt, zu links, als Verfechter des Multikulturalismus und des Establishments darzustellen. Im Van-der-Bellen-Lager wiederum wird Hofer als eine Art Austro-Trump und als gefährlich für das öffentliche Ansehen Österreichs dargestellt.
Was vielleicht bei Nichtwählern zieht, könnte die gemäßigten Unentschlossenen verschrecken. "Bin ich zu laut, verschrecke ich die gemäßigten Wähler. Bin ich zu leise, bleiben die Nichtwähler und Protestwähler zu Hause", meint Filzmaier. Bei Ersteren müssen die Kandidaten wiederum sanftere Töne einschlagen und sich als Präsidenten der breiten Mitte verkaufen. Bei der ersten Stichwahl im Mai konnte Van der Bellen in den letzten Tagen vor der Wahl deutlich stärker mobilisieren. Ob er es diesmal auch wieder schafft, so Politikberater Thomas Hofer, sei angesichts der verstärkten Aktivitäten auf Seiten der FPÖ fraglich. Die Wahl wird erst in der Wahlkabine entschieden.