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Den Verlockungen der Macht erlegen? Dunkle Wolken über der Volkspartei

Von Walter Hämmerle

Analysen

Es sind schwerwiegende Vorwürfe, die der ehemalige Leiter des Bundeskriminalamtes (BKA) Herwig Haidinger erhebt. Stimmt auch nur die Hälfte, handelt es sich um einen handfesten Skandal. Im Raum steht der Vorwurf des Machtmissbrauchs durch die ÖVP zum eigenen Vorteil. Und natürlich zum Schaden des politischen Gegners, der SPÖ, aber das versteht sich ohnedies von selbst.


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Gegen Haidinger spricht, dass er sich mit seiner öffentlichen Anklage lange, sehr lange sogar, Zeit gelassen hat. Die Vorwürfe betreffen den Sommer 2006 (Bawag-Untersuchungen gegen die SPÖ), den April 1998 (Kampusch-Ermittlungen) und Frühling 2007 (die Forderung, Bawag-Akten zuerst an die ÖVP zu übermitteln). Aber erst nach der Bekanntgabe seiner Ablöse als BKA-Chef am 1. Februar ging er damit an die Öffentlichkeit. Das wirft auch auf Haidinger, den einstigen Protegé von Ex-Minister Strasser, ein schiefes Licht.

An der Schwere der Vorwürfe ändert das nichts. Noch steht in dieser Causa allerdings Aussage gegen Aussage. Philipp Ita, der von Haidinger massiv belastete langjährige Kabinettschef im Innenministerium, bestreitet alle Vorwürfe. Innenminister Günther Platters erste Reakiton: Schweigen. Die Angelegenheit ist vorerst einmal Sache der Justiz und interner Ermittlungen des Innenministeriums. Erst nach deren Abschluss wird klar sein, wie dick die Suppe wirklich ist.

Das Fatale jedoch ist, dass ein mulmiges Bauchgefühl dem gelernten Österreicher sagt: "Wo Rauch ist, ist auch Feuer." Zu gut passen die Vorwürfe in das vergiftete Klima des Wahlkampfs für die Nationalratswahlen 2006. Und zu gut fügt sich das von Haidinger behauptete Sittenbild in die spezifische politische Kultur des Landes.

In dieser sind einmal errungene Machtpositionen keine Leihgaben auf Zeit, sondern politische Erbpachten. Diese gilt es, so gut wie möglich abzusichern, indem die "eigenen" Leute an Schlüsselstellen untergebracht werden. Auf dass auf sie zurückgegriffen werden kann, wenn Not an der Partei ist. Aus diesem Grund rangiert politische Loyalität bis heute bei Postenvergaben nur allzu oft vor fachlicher Kompetenz. Dankbarkeit ist in solchen Fällen eben doch eine politische Kategorie. Die Geschichte der Zweiten Republik ist reich an Skandalen dieser Art, wo Ermittlungen gezielt gesteuert oder unterdrückt wurden.

In der Koalition stärkt die Affäre die zuletzt angeschlagene SPÖ. Sie hat nun, sollten sich die Vorwürfe erhärten, ein gewichtiges Druckmittel gegen die Volkspartei in der Hand: Ein Untersuchungsausschuss, wie ihn die Opposition bereits heftig einfordert, ist ein mächtiges Instrument. Für den Moment betonen beide Koalitionsparteien den Vorrang laufender Verfahren. Aufgeschoben ist aber niemals aufgehoben. Und alles im Leben wie in der Politik hat seinen Preis. Auch das weiß die ÖVP. Seite 4