Zum Hauptinhalt springen

Den Wasserschaden reparieren

Von Stefan Schartlmüller

Gastkommentare
Stefan Schartlmüller ist Mitgründer der IG Demokratie (www.ig-demokratie.at) und Gemüsegärtner.
© privat

Das Gebäude der Demokratie hat durch die Korruption arg gelitten. Wie geht es jetzt weiter?


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 1 Jahr in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Vor zwei Monaten kamen neue ÖVP-Chats an die Öffentlichkeit. Der Bundespräsident mahnte kurz danach Taten ein. Die tröpfelnden Chats hätten sich zum Wasserschaden am Gebäude der Demokratie ausgewachsen, formulierte es Alexander Van der Bellen. Er war dabei nicht der Erste, der betonte, dass die Grenze, an der sich das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik misst, nicht das Strafrecht ist. Mittlerweile ist dieses Vertrauen aus bekannten Gründen auf einem historischen Tiefpunkt.

Wie lange wollen wir uns diese eingefahrenen politischen Strukturen noch leisten? Korruption kostet uns jährlich zwischen 15 und 25 Milliarden Euro. Vor Corona war das jährlich deutlich mehr als das Budgetdefizit. Das ist haarsträubend und einer von mehreren Indikatoren zur Frage, was diverse Demokratiedefizite alles an Folgen verursachen.

Acht heimische Institutionen haben kürzlich eine neue Bewertung des Zustandes unserer Demokratie vorgenommen und sind dabei zu keinem schönen Bild gekommen. Während die eher freundlich messenden internationalen Bewertungen unsere Demokratie bei rund 80 Prozent Vollständigkeit einordnen, sieht der neue heimische Index die Rahmenbedingungen unserer Demokratie nur zu knapp 60 Prozent in Stand.

Man darf sich fragen, welche Logik dahinter steckt, dass Parteien sich selbst ihre Regeln schreiben beziehungweise diese eben nicht an neue Herausforderungen anpassen. Daneben gibt es seit einiger Zeit die spannenden Erfahrungen, die man aus diversen Klimaräten, Bürgerräten und ähnlichen Institutionen aus ganz Europa und auch aus heimischen Versuchen nutzen kann. Der österreichische Klimarat ist erst kürzlich über die Bühne gegangen, und wir wissen schon jetzt, was man daran verbessern muss. Fakt ist, dass diese Prozesse als solche funktionieren. Auch die zufällig eingeladenen Teilnehmerinnen und Teilnehmer erkennen Potenzial darin. In Irland zeigte im Jahr 2012 ein Verfassungskonvent mit zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern Wirkung. Gemeinsam mit Politikerinnen und Politikern sowie Fachleuten erarbeiteten sie Vorschläge für die Erneuerung verfassungsrelevanter Materie. Auch dort ist nicht alles perfekt gelaufen, aber wir können davon lernen. Die Beteiligung befindet sich in einer Entwicklungsphase, und wir als Gesellschaft sollten Teil dieser Entwicklung sein.

Jetzt ist die Gelegenheit, den Österreich-Konvent, der von Mitte 2003 bis Ende 2004 tagte, neu aufzustellen und um eine zeitgemäße Bürgerbeteiligung und neue Fragestellungen zu erweitern. "ZiB 2"-Moderator Armin Wolf hat mit Blick auf das irische Beispiel schon im Jahr 2013 vorgeschlagen, die ORF-Reform von einem Gremium aus Bürgerinnen und Bürgern begleiten zu lassen, und diese Idee heuer mit dem Start des Klimarates bekräftigt. Man könnte da auch gleich die Zukunft der "Wiener Zeitung" mit debattieren. Die Republik besteht nicht allein aus 51 Prozent Regierung oder Parteien-Zwei-Drittel-Mehrheiten. Für die Herausforderungen unserer Zeit braucht es neue Wege. Diese sind transparent mit der Bevölkerung zu gehen - die Werkzeuge dafür sind schon da.