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Denen werden wirs zeigen!

Von Bernhard Baumgartner

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Es gibt wohl kaum Feindschaften, die so hingebungsvoll gepflegt werden wie jene unter Nachbarn. Sei es der Zaun, der ein paar Zentimeter zu weit rechts steht, nächtlicher Lärm oder spielende Kinder. Dass diese Kleinkriege mitunter eskalieren können, hilft den Chronikspalten der Boulevardzeitungen über das unerbittliche Sommerloch. Und wo Boulevard ist, kann RTL nicht weit sein.


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Denn der Privatsender bemüht sich in der Sendung mit dem programmatischen Titel "Nachbarschaftsstreit" hingebungsvoll um die Zwistigkeiten unter deutschen Nachbarn. In der Folge vom Mittwoch ging es um einen "Zettelkrieg", den zwei verfeindete Mieterpaare austragen. Ein Streit ohne Worte, der den schönen Nebeneffekt hat, dass er dank verschriftlichter Polemik gerichtlich gut nachvollziehbar ist. Wer nun meint, RTL war der Vorreiter für Formate dieser Art, ist auf dem falschen Dampfer.

Denn der ORF spielt dergleichen seit Jahren. "Schauplatz Gericht" etwa taucht gerne in die Abgründe der österreichischen Seele ein. Auch in der Sendung "Volksanwalt" geht es mitunter erdig zur Sache. Im Gegensatz dazu versucht RTL, sich nicht nur an den Prozessen zu weiden, sondern schaltet einen Mediator ein, der die Wogen glätten soll. Der Rechtsanwalt, Mieterschützer und Streitschlichter Franz Obst tut sein Bestes, die Sache zu bereinigen. Hier freilich endet auch die Objektivität des Senders. Wer sich einmischt, wird irgendwo mitschuldig. Wohl auch ein Grund, warum der ORF noch nicht auf die Idee verfallen ist, ein ähnliches Sendungsprinzip zu entwickeln. Eines bieten jedoch alle diese Sendungen: einen oft zu tiefen Blick in die Volksseele.