Der lange Nachhall der Reformen, die vor 30 Jahren begannen. | Peking/Wien. "Wir werden niemals das Modell des westlichen politischen Systems kopieren", meinte Chinas Präsident Hu Jintao bei der Feierstunde in Peking. Von Demokratie westlicher Prägung hatte auch der Mann nichts gehalten, dessen Verdienst jene wirtschaftlichen Reformen vor 30 Jahren waren, die nun gewürdigt wurden: Deng Xiaoping.
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Dies zeigte sich erstmals 1986, als Studenten nach wirtschaftlichen auch demokratische Reformen einforderten. KP-Chef Hu Yaobang, der als Hoffnungsträger der Reformer galt, musste zurücktreten.
Als Hu drei Jahre später starb, kam es erneut zu Massenprotesten. Deng ließ im Ständigen Ausschuss des Politbüros, dem eigentlichen Machtzentrum Chinas, über die weitere Vorgangsweise abstimmen - das Kriegsrecht wurde verhängt, am Tienanmen, dem "Platz des Himmlischen Friedens" im Zentrum Pekings, wurden am 4. Juni 1989 rund 3000 Demonstranten getötet, eine Verhaftungswelle und Hinrichtungen folgten.
Der 1904 geborene Deng, Urgestein der Kommunistischen Partei Chinas und Teilnehmer des "Langen Marsches", wurde im Westen nun als Schlächter gesehen, nachdem das "Time Magazine" 1978 und 1985 ihn noch zum "Mann des Jahres gekürt hatte. Für seine Politik der "Reform und der Öffnung" erwies sich das als Rückschlag, denn kurzfristig gab es westliche Sanktionen, die Investoren wandten sich von der Volksrepublik ab.
Regieren aus der
zweiten Reihe
Und auch im Inneren rührte sich der Unmut der alten Kader, die die Wirtschaftsreformen immer bekrittelt hatten. Erst diese hätten dazu geführt, dass das Machtmonopol der Partei in Frage gestellt worden sei, meinten die Kritiker.
Um seine Wirtschaftspolitik zu stärken, sah sich 1992 daher der greise Deng, der sich bereits zwei Jahre zuvor offiziell aus seinen Funktionen zurückgezogen hatte, genötigt, zu einer Tour nach Südchina aufzubrechen. Dort waren durch seine Initaitve ab 1979 vier Sonderwirtschaftszonen entstanden, die für die Politik der Öffnung standen. In diesen Zentren wurden ausländische Investitionsgüter und Know-How importiert, eigene Produkte exportiert.
1979 wird auch als das Jahr gewertet, in dem Deng endgültig die Macht in der Volksrepublik übernommen hat - auch wenn er nie die Position des Ministerprpräsidenten, KP-Chefs oder Präsidenten ausgeübt hat. Sein Erfolg war noch Ende 1978 nicht so klar: Im Abschlussdokument der Arbeitssitzung des Zentralkomitees, die nun als Meilenstein gewürdigt wird, scheint das Wort "Öffnung" nicht auf, das Wort "Reform" nur einmal. Aber in diesem Winter gelang es ihm, die Parteigänger des Vorsitzenden Mao Zedong, der seine politische Karriere zweimal gebremst hatte, zurückzudrängen - nicht zuletzt mit Hilfe der "Demokratiemauer" am Rande des Tienanmen, auf der Proteststimmen aus der Bevölkerung in Form von Wandzeitungen verbreitet wurden.
Die Aktivisten wurden bald wieder verfolgt, aber Dengs Position war so gefestigt, dass er die Reformgegner weiter aus ihren Funktionen drängen konnte. Dazu genügte ihm der Posten als einer von fünf stellvertretenden Parteichefs. Sogar im Ruhestand gelang es ihm noch, das Land aus der zweiten Reihe zu steuern: Er installierte Jiang Zemin, von dem er sich eine Fortsetzung seiner Reformen versprach, zunächst als KP-Generalsekretär, dann als Präsident.
Jiangs Nachfolger Hu resümierte nun die Fortschritte der letzten 30 Jahre aus seiner Sicht. Die Menschen könnten nun entscheiden, was sie essen, wie sie sich kleiden oder welche Karriere sie machen wollen, was damals noch undenkbar gewesen wäre. 240 Millionen Bauern wären der Armut entkommen. Die Wirtschaft wäre um fast 10 Prozent pro Jahr gewachsen.
Das zeige, meinte Hu, dass politische Reformen nicht nötig seien. Der "Weg eines Sozialismus mit chinesischer Charakteristik, geführt von der Partei, ihrer Politik und ihren Theorien, ist richtig", glaubt Hu.
Deng Xiaoping, im Jahr 1997 an den Folgen der Parkinson-Krankheit gestorben, hatte es einst immerhin für möglich gehalten, dass führende politische Posten durch direkte Wahlen vergeben werden könnten - im Jahr 2050. Davon will heute niemand etwas wissen.