Wirtschaftsthemen können Wahlen entscheiden, aber der Wähler hat von Wirtschaft wenig Ahnung. Der Politik kann das ganz recht sein.
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Deutschland ist laut einer aktuellen Studie ein wirtschaftlich höchst erfolgreiches Land, dessen Bevölkerung keine Ahnung von Wirtschaft hat. Denn: Mehr als ein Drittel der Befragten wussten nicht, dass deutsche Staatsanleihen grundsätzlich etwas sicherer sind als Investitionen in Aktien oder Zertifikate; dass Dänemark eine eigene Währung hat, war gerade der Hälfte der Befragten geläufig; und an einer simplen Zinseszinsrechnung, wie sie etwa zur Einschätzung von Kreditkonditionen nötig ist, scheiterten gar zwei von drei Probanden. Auch wenn es nicht unmittelbar nachweisbar ist - die Lebenserfahrung legt dringend nahe, dass die Österreicher den Deutschen hier nicht eben überlegen sind, eher ganz im Gegenteil.
Dieses erhebliche Maß an Ignoranz gegenüber einfachsten ökonomischen Zusammenhängen hat ungünstige politische, aber auch private Konsequenzen für die Betroffenen dieser Misere. Politische, weil eine auch nur annähernd vernünftige Auseinandersetzung über unterschiedliche ökonomische Konzepte nicht stattfinden kann, wenn der Adressat dabei so viel versteht, als lauschte er einer Diskussion in Kisuaheli.
Aber auch im Privatleben schadet dieses ökonomische Analphabetentum einer Mehrheit der Menschen natürlich erheblich. Denn wem Zinsen, Prozente und Anleihen spanische Dörfer sind, der wird sich nicht gerade leicht tun, seine wirtschaftliche Lebensplanung auch nur einigermaßen auf den Boden zu bekommen. Und bessere Beute als solche Ahnungslosen gibt es für Abzocker aller Schattierungen nicht.
Dabei wäre es überhaupt nicht schwierig, das Problem des überbordenden ökonomischen Unverstandes zu lösen. Mit ein paar verpflichtenden Stunden "Wirtschaft in Theorie und Praxis" von der Volksschule bis zur Matura, der jeweiligen Leistungsfähigkeit der Schüler angepasst, könnte der Mangel binnen eines Jahrzehnts weitgehend behoben werden, zum Nutzen aller letztlich.
Da drängt sich schon irgendwie die Frage auf: Warum wird dieses ja schon lange Zeit bekannte Bildungsmanko so konsequent ignoriert?
Natürlich wird das mit der Trägheit des Schulsystems, veränderungsunlustigen Lehrern, einer allgemein verbreiteten wirtschaftsfeindlichen Grundstimmung und hundert anderen Gründen zu tun haben.
Und trotzdem drängt sich darüber hinaus ein ganz übler Verdacht auf: dass nämlich die Politik, deren Aufgabe die Lösung des Problems wäre, an eben dieser Lösung aus eigenem Interesse gar nicht so stark interessiert ist.
Denn einem ökonomisch auch nur halbwegs gebildeten Wähler kann man nicht so einfach vorgaukeln, dass Politiker "Arbeitsplätze schaffen", Griechenland seine Verbindlichkeiten hierzulande mit Zins und Zinseszins zurückzahlen wird, noch mehr Schulden gegen zu viel Staatsschulden helfen oder was sonst noch an ökonomischen Voodoo-Ideen gehandelt wird. Der Verdacht drängt sich auf: Die Politik sorgt nicht für bessere wirtschaftliche Bildung, weil sie sich mit Recht davor fürchtet, das erste Opfer dieses Fortschrittes zu werden. Aber das ist natürlich nur ein Verdacht.
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