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Denunziantenstadel

Von Christian Ortner

Gastkommentare

Ein neues Gesetz zum Schutz von Hinweisgebern und seine problematischen Nebenwirkungen.


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In Österreich wird, einer EU-Vorgabe folgend, schon demnächst ein Gesetz beschlossen, das sogenannte Whistleblower in Unternehmen und Behörden unter den besonderen Schutz des Staates und seiner Organe stellt. Das ist insofern nachvollziehbar, als der Hinweisgeber ja eine durchaus nützliche Figur sein kann, die aus dem Inneren einer Organisation heraus Missstände aufdeckt, die sonst weiter verborgen blieben. Die meisten großen Skandale der Zweiten Republik flogen auf diese Art und Weise auf, in der Regel, indem ein Whistleblower sich an den Aufdeckungsjournalisten seines Vertrauens wandte, der die Affäre dann öffentlich machte. Was übrigens fast immer auch ohne besonderes Gesetz zum Schutz des Hinweisgebers klappte.

Noch steht nicht ganz fest, wie das in Österreich im Detail aussehen soll, aber ich bin mir nicht ganz sicher, ob hier nicht in bester Absicht das hierzulande ja ohnehin recht beliebte Denunziantentum von der Obrigkeit mit dem Siegel der Tugendhaftigkeit versehen wird. Schon der Umstand, dass Unternehmen und Behörden mit mehr als 50 Mitarbeitern eine Art Meldestelle werden einrichten müssen, an die sich heldenhafte Whistleblower künftig genauso melden können wie Denunzianten, die einfach einem missliebigen Konkurrenten Schwierigkeit machen wollen, hat für mich einen etwas eigentümlichen Beigeschmack. Ganz abgesehen davon, dass nicht wenige Unternehmen angesichts der eher stürmischen See, in der sie ums Überleben kämpfen, möglicherweise ganz andere Sorgen haben, als nach einem Gleichberechtigungsbeauftragten nun auch noch einen Denunziantenbetreuer bezahlen zu müssen.

Dazu kommt, dass ein Blick nach Deutschland, wo ein ähnliches Gesetz kurz vor Weihnachten beschlossen wurde, uns geradezu erschreckend zeigt, welche Risiken diese Aufforderung zum Melden tatsächlicher oder auch nur vermeintlicher Missstände in sich birgt.

In Berlin wurde nämlich - anders als vermutlich in Österreich - auch das Denunzieren von "Äußerungen von Beamtinnen und Beamten, die einen Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue darstellen", unter den Schutz des Whistleblower-Gesetzes gestellt.

Das heißt in der Praxis: Wenn ein Polizist, eine Lehrerin oder ein anderer öffentlich Bediensteter einem Kollegen arge Schwierigkeiten bereiten will, genügt es völlig, dem irgendeine Form von verfassungswidrigem Gerede anzuhängen, sei es in der Migrationsfrage, der Genderproblematik oder anderen sensiblen Zonen der öffentlichen Erörterung. Zu behaupten, jemand stünde da "nicht auf dem Boden der Verfassung", wird nicht besonders viel Fantasie erfordern.

Ich weiß nicht, ob man wirklich paranoid sein muss, um eine derartige Entwicklung eher wenig wünschenswert zu finden. Schon jetzt bezweifelt etwa die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland (und auch in Österreich größenordnungsmäßig), dass es so etwas wie Meinungsfreiheit gebe. Wird jetzt auch noch das Denunziantentum im Windschatten des Schutzes echter Whistleblower staatlich gefördert, wird sich diese Stimmung wohl noch eher verfestigen. Der Demokratie tut das eher nicht so gut.