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"Depression wird charakteristisch für meine Generation"

Von Alexander U. Mathé aus Alpbach

Politik
Optimistisch trotz der Krise: Theodora Toli.
© Philipp Naderer

Projektmanagerin über die Folgen | der Krise in Griechenland.


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"Wiener Zeitung":Sie sind Griechin, 31 Jahre alt und Stipendiatin am Europäischen Forum Alpbach. Erzählen Sie ein wenig von Ihrem Leben.Theodora Toli: Ich habe Marketingkommunikation studiert und einen Master in Lebensmittelbetriebswirtschaft. Ich arbeite für eine Entwicklungsagentur bei mir in der Gegend in Westgriechenland. Dort bin ich Projektmanagerin.

Was genau sind das für Projekte?

Es sind unter anderen Projekte der EU. Sie richten sich gegen Jugendarbeitslosigkeit. Irgendwie fühle ich mich dabei komisch, weil ich selbst in ein paar Monaten arbeitslos sein werde. Ich bin mir nicht sicher, ob diese Programme funktionieren. Sie besorgen Jugendlichen eine Arbeit für ungefähr fünf Monate bei absolut niedrigem Gehalt. So auf die Art: "Nimm das jetzt einmal für fünf Monate, dann geht es Dir gut und danach sehen wir weiter."

Und wie geht es Ihnen bei Ihrem Beruf?

Ich arbeite, aber ich bekomme dafür nichts bezahlt.

Ist das ein Volontariat, das Sie da gerade machen?

Nein, das ist kein Volontariat. Das ist ein normaler Job, ich sollte bezahlt werden. Meine Firma hat aber zurzeit kein Geld. Ich kann nur - wie so viele - warten und hoffen, dass ich irgendwann mein Gehalt bekomme. Es besteht natürlich die Gefahr, dass meine Firma bankrottgeht. Das ist in Griechenland zum alltäglichen Phänomen geworden. Dann gibt es kein Geld und man ist wieder arbeitslos.

Kein Geld, Unsicherheit - warum arbeiten Sie überhaupt?

Zuerst einmal kann ich dann in meinen Lebenslauf schreiben, dass ich gearbeitet habe und nicht einfach nur herumgelungert bin. Aber dann hilft es mir auch psychisch. Ich fühle mich dadurch gesund. Ich kenne viele sehr gescheite Menschen, die den Glauben an sich verloren haben. Die bleiben zu Hause, trauen sich nicht mehr hinaus. Die Situation ist schlimm: Es gibt viele solcher Schicksale und es werden täglich mehr. So viele Freunde von mir sind in dieser Situation ernsthaft depressiv geworden. Damit meine ich nicht einfach nur traurig und missmutig. Die sind klinisch depressiv. Ich glaube, das wird charakteristisch für meine Generation sein. Da kann ich mich glücklich schätzen, dass ich eine Arbeit habe, auch wenn ich dafür nichts gezahlt kriege. Ich glaube fest daran, dass wir unsere Situation ändern können.

Ist Ihr Optimismus nicht auch schon irgendwie bedenklich?

Viele Menschen glauben, ich sei verrückt. Normalerweise sind es ja die Eltern, die einen lieben, antreiben und an einen glauben. Aber meine sagen: "Willst Du Dir das wirklich antun und arbeiten gehen?" Sie können sich also vorstellen, wie schlimm die Situation ist, wenn sogar schon die eigenen Eltern die Hoffnung aufgegeben haben. Aber man macht es sich zu einfach, wenn man nur herumsitzt und sich beschwert. Es ist zu einfach, zu sagen, die Politiker seien schuld. Das stimmt zwar, aber wir müssen auch unsere eigene Einstellung ändern.

Auch mancher Politiker hat schon die Hoffnung aufgegeben.

Ich kann mich noch erinnern, als ein deutscher Minister von einer "verlorenen Generation" gesprochen hat. Das war für mich das Schlimmste, das ich bis dahin gehört hatte. Wie kann man nur sagen, dass jemand verloren ist? So etwas ist eigentlich verrückt.

Sie sind 31 und die Konkurrenz aus Nordeuropa schläft nicht. Welche Chancen rechnen Sie sich aus?

Ich weiß, dass ich mich in einer schwierigen Situation befinde. Mein ganzes Leben lang habe ich mich um Qualifikationen bemüht. Ich suche schon seit einem Jahr einen Job im Ausland. Ich habe mich beispielsweise in Deutschland beworben. Aber niemand, der nicht aus Griechenland ist, hat Verständnis dafür, dass ich schon als Marketing-Assistentin, Projektmanagerin, Hotel-Rezeptionistin und in der Verwaltung gearbeitet habe, nur um angestellt zu sein. Das gefällt nicht. Die Frage lautet dann nur: "Warum haben Sie nicht in dem Bereich gearbeitet, in dem Sie ausgebildet sind?" In meinem Fall ist das Marketing und auf dem Gebiet habe ich bisher nur zwei Jahre arbeiten können.

Vielleicht liegt es daran, dass Sie sich auf Distanz bewerben. Sie könnten doch nach Deutschland gehen und sich vor Ort persönlich bewerben?

Dafür habe ich kein Geld.

Wenn Sie sich etwas von Europas Entscheidungsträgern wünschen könnten, was wäre das?

Dass sie sich ein wenig mehr um die junge Generation kümmern, dass sie verstehen, wie wir leben - wie wir leben müssen -, und sich darauf konzentrieren. Ich habe immer gedacht, dass die Europäische Union eine Union der Menschen ist und nicht der Banken.

Denken Sie, dass Griechenland unter dem Vorwand der Krise ausverkauft wird?

Es gibt viele Leute in Griechenland, die das sagen. So etwas möchte ich mir aber gar nicht erst vorstellen.