![Eine Illustration einer Frau mit Kopftuch.](https://media.wienerzeitung.at/f/216981/2500x1875/a87666ab3f/wz_podcast_header_fatima_storer.jpg/m/384x288/filters:quality(50))
Neues Arbeitnehmerschutzgesetz sieht Evaluierung psychischer Belastungen vor.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. "Ich hatte Angst, zur Arbeit zu gehen. Ich konnte nicht mehr schlafen, schaffte es einfach nicht, in der Früh aufzustehen, mich anzuziehen und in die U-Bahn zu steigen." Der Hausarzt stellte bei Manuela M. eine schwere Depression fest. Die 42-Jährige begab sich in Therapie. Mittlerweile kann sie wieder arbeiten, wie sie im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" erzählt.
Viele ihrer Leidensgenossen schaffen diesen Schritt allerdings nicht. Wirken doch psychische Erkrankungen wie Burnout, Depressionen, Schizophrenie oder Angststörungen nach wie vor stigmatisierend - und das, obwohl bereits jeder Vierte laut Weltgesundheitsorganisation WHO aufgrund von psychischen Belastungen in der Arbeit erkrankt. Insgesamt befinden sich in Österreich rund 900.000 Personen wegen psychischer Leiden in Behandlung.
Die von Sozialminister Rudolf Hundstorfer vor kurzem in Begutachtung geschickte Novelle zum Arbeitnehmerschutzgesetz geht zwar in Richtung Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen: Sieht sie doch vor, dass künftig neben der Gefährdung der physischen Gesundheit des Arbeitnehmers (etwa durch Chemikalien) auch Belastungen, die zu psychischen Krankheiten führen, evaluiert werden sollen. Die Berufsvertretung für Psychologen (GkPP) sowie die Arbeiterkammer (AK) kritisieren jedoch, dass die Gefährdung der psychischen Gesundheit durch einen Arbeitsmediziner überprüft werden soll. Ihrer Ansicht nach wären ausschließlich Arbeitspsychologen dafür geeignet.
GkPP-Obfrau Andrea Birbaumer hält es sogar für "gefährlich, wenn andere Berufsgruppen in Zukunft arbeitspsychologisch ,herumdoktern‘". Ohne gesetzliche Verankerung der Arbeitspsychologen im Arbeitnehmerschutzgesetz werde dieses seinem Präventionsauftrag nicht gerecht.
Psyche als "Arbeitsmittel"
Das Thema "Arbeit - Psyche - Stigma" stand auch im Fokus der Tagung am Mittwoch in der AK Wien anlässlich des Internationalen Tages der psychischen Gesundheit. Viele Betroffene mit oder nach psychischen Krankheiten sind laut AK in einer scheinbar ausweglosen Spirale gefangen: Sie verheimlichen die Krankheit aus Scham und Angst vor Stigmatisierung - stoßen auf Unverständnis der anderen - werden ausgegrenzt - erleiden einen Krankheitsrückfall respektive die Krankheit verstärkt sich - und ziehen sich weiter zurück.
"Körperliche Belastung in der Arbeit ist nicht tabu. Sehr wohl aber, über psychische Probleme zu klagen", sagte Psychologe Peter Hoffmann von der Abteilung Sozialpolitik in der AK Wien im Rahmen der Tagung. Doch gerade die Psyche des Arbeitnehmers sei sein "Arbeitsmittel": Bei Stellenausschreibungen etwa seien vor allem psychische Fähigkeiten wie Teamgeist oder Stressresistenz gefragt. "Die Psyche sollte daher regelmäßig gewartet werden wie der Kopierer am Gang, um bis zur Pension zu halten."
Laut einer aktuellen Analyse der "Integrated Consulting Group" in Zusammenarbeit mit Sozialministerium und Pensionsversicherungsanstalt hinkt Österreichs Versorgungsnetz für psychisch Kranke im internationalen Vergleich allerdings nach. Produktivitätsverluste, hohe Arbeitslosenraten bei den Betroffenen sowie längere Krankenstände seien die Folge. Laut Hoffmann müsse man daher beim Versorgungsnetz ansetzen, "damit das Arbeitsmittel Psyche wieder funktioniert".