Santo Domingo - Mit seinen 93 Jahren kann Joaquin Balaguer kaum noch einen Schritt tun, ohne dass ihm seine Helfer unter die Arme greifen. In seinen Wahlkampfreden braucht er schon nach wenigen Minuten eine Ruhepause. Dennoch mag sich der blinde Ex-Präsident vom politischen Geschäft nicht zurückziehen. Bei den morgigen Präsidentenwahlen in der Dominikanischen Republik tritt er für seine konservative Christlich-Soziale Reformpartei PRSC noch einmal an.
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Umfragen räumen Balaguer Chancen auf den zweiten Platz und damit auf den Einzug in die Stichwahl am 30. Juni ein. Von 1966 bis 1978 und von 1986 bis 1996 hatte er das beliebte karibische Urlaubsland im östlichen Teil der Insel Hispaniola regiert. Seine politische Karriere hatte er aber schon unter dem Diktator Rafael Leonidas Trujillo (1891-1961) begonnen, dem er als junger Jurist 1930 das Rechtfertigungsmanifest für dessen Militärputsch schrieb. Nun wirbt Balaguers Partei mit dem Slogan "Ein Präsident aus zwei Jahrhunderten" um Wählerstimmen.
In den Meinungsumfragen liegt aber ein jüngerer Mann auf Platz Eins, Hipolito Mejia (59), der Kandidat der sozialdemokratischen Partei der Dominikanischen Revolution (PRD). Der Vertreter der regierenden Partei der Dominikanischen Befreiung (PLD), Danilo Medina (48), muss hingegen mit Balaguer um Platz zwei streiten. Die Schwäche der PLD erklären Wahlforscher zum Teil damit, dass der amtierende Präsident Leonel Fernandez Reyna nicht erneut antreten kann und es Medina selber an Ausstrahlung mangelt. Die Bilanz von Fernandez ist relativ gut. Die Dominikanische Republik hat in den vier Jahren, unter anderem dank des Massentourismus, die höchsten wirtschaftlichen Wachstumsraten Lateinamerikas erzielt. Allerdings reicht für viele Arbeitnehmer das Gehalt nur für das Lebensnotwendigste, und die Stromausfälle sind für die Bevölkerung ein permanentes Ärgernis. Die oppositionelle PRD wiederum profitiert davon, die am besten organisierte Partei zu sein, die in jedem Dorf und Stadtteil präsent ist.
Balaguer indes bleibt für in- und ausländische Beobachter ein Phänomen. Nach Ansicht des dominikanischen Journalisten Juan Bolivar offenbart sich in dem Zuspruch, den er bei einem Teil der Bevölkerung noch genießt, "das Übergewicht autoritärer gegenüber demokratischen Wertvorstellungen in der dominikanischen Gesellschaft". Dies falle in das Kapitel des "Caudillismo", der Bewunderung für den starken Mann. Wie der ehemalige Diktator Trujillo habe es Balaguer mit einem populistischen Stil immer verstanden, Wohltaten - seien es nun Lebensmittelpakete, Autos oder Sozialwohnungen - persönlich unter das Volk zu bringen.
"Balaguer muss zurück an die Macht, damit die Armen zu essen haben", sagt Gilberto Calvo, Parteichef in der nördlichen Gemeinde Imbert. In Santo Domingo wird unterdessen darüber spekuliert, was in einer Stichwahl passieren könnte. Der Ökonom Jaime Aristy glaubt, dass sich PRSC und PLD gegen die Linke zusammenschließen und Balaguer zum Sieg verhelfen könnten. Der Journalist Bolivar, der unter Balaguer einmal ins Exil gehen musste, meint hingegen, dass viele Nichtwähler, die mit dem Ex-Präsidenten keine guten Erinnerungen verbinden, dann doch noch zu den Urnen gehen.