Abbott verliert Vertrauensabstimmung, Turnbull wird neuer Premierminister.
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Canberra. Anfang Februar war Tony Abbott schon einmal am politischen Abgrund gestanden. Die Umfragewerte waren damals im Keller und immer mehr Abgeordnete seiner Liberalen Partei sprachen sich offen für den Rücktritt des 57-Jährigen als australischer Premierminister aus. Doch Abbott, der auch selbst nicht mehr ganz von seinem politischen Überleben überzeugt war, gewann die Vertrauensabstimmung überraschend klar mit 61 zu 39 Stimmen. Nach dem Votum versprach der Parteichef, die "Uneinigkeit und Unsicherheit" im konservativen Lager, das im September 2013 an die Macht gekommen war, überwinden zu wollen.
Einlösen hat der einstige Priesteranwärter sein Versprechen allerdings nicht können. Bei einer Abstimmung um den Vorsitz der Liberalen unterlag Abbott am Montag seinem 60-jährigen Herausforderer Malcolm Turnbull in Canberra mit 44 zu 54 Stimmen. Angesichts der derzeitigen Machtverteilung im australischen Parlament wird Turnbull als neuer Parteichef automatisch auch neuer Premierminister. Die Liberalen sind die stärkste Fraktion in der liberal-konservativen Regierungskoalition.
Abbott hatte auch im vergangenen halben Jahr keine Trendwende herbeiführen können. Seine persönlichen Popularitätswerte stagnierten auf bescheidenem Niveau, die seiner Koalition lagen weit hinter denen für die oppositionelle Labor-Partei. In seiner langen politischen Karriere hatte Abbott vor allem mit kontroversen Aussagen rechts des politischen Mainstreams für Aufsehen gesorgt. Unmittelbar nach seinem Amtsantritt hatte der Vater von drei Töchtern etwa erklärt, dass "ein paar Hiebe" einem Kind kaum schadeten und körperliche Züchtigung erlaubt bleiben müsse. Linke und Vertreter der australischen Ureinwohner verärgerte Abbott Mitte des Vorjahres mit der Bemerkung, Australien sei vor der Landung britischer Kolonisten "kaum besiedelt" gewesen.
Der ehemalige Banker und Multimillionär Turnbull ist bereits seit längerem Abbotts parteiinterner Gegenspieler. Mit seinem Eintreten für einen Emissionshandel und die Ehe für Homosexuelle hat er jedoch den rechten Flügel der liberalen Partei gegen sich aufgebracht. Dort kann man auch wenig mit der von Turnbull präferierten republikanischen Staatsform anfangen. Doch diese Fragen könnten ohnehin schon bald zu politischen Nebenschauplätzen degradiert werden. Denn der neue australische Premier wird sich vor allem mit dem Ende des Rohstoffbooms auseinandersetzen müssen, der bisher die australische Wirtschaft beflügelt hat.