Die Menschenrechtsorganisation Amira klagt die FPÖ wegen verhetzender Aussage an. Amira-Chefin Barbara Unterlerchner erklärt im Interview, warum die Strafanzeige gegen Heinz-Christian Strache mehr ist als bloße Symbolik.
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Wien. "Brutale Messerstechereien und filmreife Schusswechsel" stünden in Wien auf der Tagesordnung, behauptet FPÖ-Parteiobmann Heinz-Christian Strache in einer Presseaussendung vom Mai dieses Jahres. Das Verbrechen sei in Wien "importiert", es hätten sich "Marokkaner, Tschetschenen, Kosovo-Albaner und Rumänen" in der Stadt "eingenistet" und "Schlagringe, Messer, Äxte, Pistolen, Rohrbomben und Handgranaten" mitgebracht. Für die Menschenrechtsorganisation Amira ist mit dieser Aussage der Bogen überspannt. Sie bringt die Causa vor die Staatsanwaltschaft. Amira-Vorsitzende Barbara Unterlerchner erklärt im Interview mit der "Wiener Zeitung", warum sie die "Hau-drauf-Rhetorik" nicht länger hinnehmen will.
"Wiener Zeitung": Spielen Sie der FPÖ mit Ihrer Klage nicht in die Hände?
Barbara Unterlerchner: Das Argument, die FPÖ ja nicht anzugreifen, weil ihr das helfen könnte, hat in Österreich eine lange Tradition. Die Folge ist, dass ein Vakuum entsteht, das die FPÖ mit ihren Parolen füllen kann. Es gibt keine Gegenstrategie. Auch die Regierung stellt sich nicht dagegen und solange das so ist, schreiten wir als Zivilgesellschaft ein. Momentan ist ja ersichtlich, dass die Menschen wahnsinnig viel Engagement und Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge zeigen. Es ist einfach wichtig, dass die Zivilgesellschaft gegen Rassismus und politische Hetze vorgeht.
Warum werden Sie erst jetzt aktiv?
Der Alltagsrassismus der FPÖ ärgert uns schon sehr lange. Vor einigen Monaten gab es eine Aussage, die das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Darin wird ein absurdes Bild gezeichnet, in dem zum Beispiel Marokkaner und Marokkanerinnen mit Äxten und sonstigen schweren Geschützen durch die Straßen laufen. Das erfüllt unserer Meinung nach den Straftatbestand der Verhetzung und dagegen möchten wir vorgehen. Gerade jetzt, wo es in Österreich mit der zivilen Flüchtlingshilfe eine sichtbare Gegenposition gibt, halten wir es für besonders wichtig, dass man die Aufmerksamkeit für politische Hetze schärft.
Was sind die Folgen von Verhetzung?
Es führt dazu, dass bestimmte Personengruppen abgewertet werden. Sprache beeinflusst unser Denken. Es wird mittlerweile schon als normal empfunden, dass so etwas öffentlich gesagt wird. Das vergiftet einfach das Gesellschaftsklima und nährt auch den Boden für Gewalt.
Was sagt das Gesetz?
Das Verhetzungs-Verbot soll Bevölkerungsgruppen davor schützen, öffentlich verächtlich gemacht zu werden. Außerdem soll er den Aufruf zur Gewalt verhindern.
Prozesse wegen Verhetzung werden oft eingestellt, zuletzt beispielsweise Straches Davidstern-Affäre im Sommer 2012. Ist Ihre Klage nur ein symbolischer Akt?
Nein. Verhetzung ist kein Bagatelldelikt, sondern strafrechtlich relevant. Wir vertrauen da auf die Staatsanwaltschaften. Es gibt Verurteilungen. FPÖ-Politiker in Graz und Innsbruck sind bereits verurteilt worden. Wir sehen da Parallelen zur Korruption. In Österreich wurde lang nichts dagegen getan und mittlerweile wird das strafrechtlich aufgearbeitet. Das Gleiche wollen wir für Verhetzung erreichen.
Der Ex-FPÖ Abgeordnete Werner Königshofer wurde in Innsbruck nach drastischer Hetze gegen Muslime zu einer Geldstrafe von 800 Euro verklagt. Halten Sie das Strafmaß für angemessen?
Der Schuldspruch ist eine ganz wichtige Klarstellung, dass solche Hetze unrecht ist. Über das Strafausmaß kann man immer diskutieren. Wichtig ist, zu zeigen, dass Hetze gegen Gesetze verstößt.
Was ist Ihr Ziel?
Dass solche Aussagen nicht mehr straflos getätigt werden können. Strafverfahren wegen Verhetzung machen einfach deutlich, dass auch durch verbale Aussagen gegen Gesetze verstoßen wird. Außerdem haben Gesetze ja auch den Zweck, abschreckend zu wirken. So ein Prozess könnte zum Beispiel dazu führen, Jugendliche davon abzuhalten, auf Facebook Hass-Postings zu veröffentlichen, wenn sie merken, dass das ganz einfach verboten ist. Wir sind mit unserer Klage übrigens nicht allein. Der Journalist Michael Nikbakhsh hat kürzlich Hass-Postings auf Facebook zur Anzeige gebracht. Es gibt also eine ganze Bewegung.
Zur Person
Der Verhetzungsparagraf besagt, dass das Beschimpfen eindeutig und absichtlich die Menschenwürde verletzen müsse, um strafbar zu sein. "Diese Hürde, das nachzuweisen, halte ich für eindeutig zu hoch", sagt Katharina Beclin, Strafrechtlerin an der Universität Wien. "Das wäre meines Erachtens erst die letzte Konsequenz von einer hetzerischen Aussage." Werde das Gesetz streng ausgelegt, dann wären erst Aussagen strafbar, wie sie beispielsweise im Nationalsozialismus öffentlich getätigt wurden. "Das können wir nicht wollen", sagt die Juristin im Gespräch mit der Wiener Zeitung.
Zum Tragen käme bei der Causa auch der Wiener Kommentar zur Auslegung des Wortes "hetzen" im Strafgesetzbuch: "Unter Hetzen ist eine in einem Appell an Gefühle und Leidenschaften bestehende tendenziöse Aufreizung zum Hass und zur Verachtung zu verstehen."
Im Jänner kommenden Jahres wird es eine Gesetzesnovelle geben, wonach bei Verhetzung auch die Absicht nachzuweisen sein wird. Dann könnte es noch schwieriger werden, Aussagen von Politikern zur Anklage zu bringen.
Aber hier sieht die Expertin kein großes Problem: "Meiner Meinung ist bei Strache die Absicht ganz klar ersichtlich. Solche Aussagen sollten ganz einfach einen Straftatbestand erfüllen." Auch einem rechtlichen Laien wie Strache müsse es absolut klar sein, dass derartige Aussagen Verhetzung seien. Ob Heinz-Christian Strache letztendlich verurteilt werden wird, habe auch mit einer gewissen Portion Zufall zu tun und damit, wie der zuständige Richter das Gesetz auslege.
Barbara
Unterlechner
ist Juristin, Kriminologin und Vorsitzende der Anfang des Jahres gegründeten Menschenrechts-Organisation Amira.
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