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Der Absturz der Konservativen

Von WZ-Korrespondentin Alexandra Mostyn

Politik

Der Bürgerpartei droht bei Neuwahlen | in Tschechien eine schwere Niederlage.


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Prag. Die Uhr beginnt zu ticken: Löst sich das tschechische Abgeordnetenhaus, wie geplant, am heutigen Dienstag selbst auf, dann bleiben noch genau 60 Tage. Innerhalb dieses Zeitraums müssen dann - so sieht es die tschechische Verfassung vor - Neuwahlen stattfinden. Diese sind für die meisten Beobachter die saubere Alternative zu der bestehenden Regierung. Das von Präsident Milos Zeman gegen den Willen des Parlaments installierte "Expertenkabinett" unter Jiri Rusnok wurde Anfang August nicht vom Abgeordnetenhaus bestätigt.

Über eine legitime Regierung soll nun der Wähler vorzeitig entscheiden. Und der wird, so sind sich Umfragen wie politische Experten einig, vor allem dem konservativen Lager eine kräftige Ohrfeige verpassen. Korruptionsskandale, Freunderlwirtschaft, Haushaltskürzungen und Kirchenrestitution haben vor allem die Bürgerpartei (ODS) in den Augen vieler unwählbar gemacht. Umfragen zufolge wird sie sich bei derzeitigen Wählerpräferenzen von sieben oder acht Prozent gerade noch über die Fünf-Prozent-Hürde hieven. Ob sich die Werte bis zu den Neuwahlen verbessern werden, ist fraglich. Denn die ODS muss sich momentan erst selbst konsolidieren, bevor sie ein glaubwürdiges Wahlprogramm aufstellen und durchsetzen kann.

Zemanisten im Kommen

Den Platz der ODS, als bedeutendste Partei des konservativen Spektrums, hofft nun die TOP 09 von Karel Schwarzenberg einzunehmen. Die Partei, 2009 von Liberalen verschiedener Couleurs ins Leben gerufen, liegt laut Umfragen derzeit bei rund 13 Prozent. Sie wird, so kündigte der Parteivorsitzende Schwarzenberg an, sich vor allem auf die Verteidigung der parlamentarischen Demokratie gegen Präsidenten Milos Zeman konzentrieren. "Jetzt geht es um die Republik", erklärte der Adlige im österreichischen Wochenmagazin "Profil". Schwarzenberg, der in den Präsidentschaftswahlen gegen Zeman kandidiert hat, weiß, dass er sich als Gegenspieler Zemans vor allem in den größeren Städten behaupten kann.

Auf dem Land und in den niedrigeren Bildungsschichten hingegen wählt man mehrheitlich links. Nur müssen die Sozialdemokraten eine neue Konkurrenz fürchten: die Zemanisten. Der Mini-Partei, die Zeman nach seinem schmählichen Ausscheiden aus der Sozialdemokratie 2003 gründete, sagen Umfragen um die sieben Prozent der Wählerstimmen voraus. Im Wahlkampf will man vor allem mit einer Anti-Korruptions-Rhetorik punkten. Ihre Spitzenkandidaten rekrutieren die Zemanisten in der derzeitigen Regierung, die sich, ob ihrer Ernennung durch den Präsidenten, den Spitznamen "Zemans Kumpelkabinett" eingefangen hat. Der momentane Innenminister Martin Pecina hat angekündigt, die Liste der Zemanisten in der Region Mährisch-Schlesien anzuführen.

Die Sozialdemokraten, denen Umfragen trotz der neuen Konkurrenz durch die Partei ihres ehemaligen Vorsitzenden einen Wahlsieg voraussagen, werden im Wahlkampf vor allem auf das Thema soziale Gerechtigkeit setzen. Sie haben schon angekündigt, einen gesetzlichen Mindestlohn einführen zu wollen.

Die Sozialdemokraten stehen momentan bei rund 28 Prozent. Zusammen mit den Kommunisten, die derzeit bei knapp 17 Prozent liegen, und den Zemanisten, könnten die Sozialdemokraten eine Regierungskoalition bilden. Ob die dann vom Parteivorsitzenden Bohuslav Sobotka angeführt wird, der als offizieller Spitzenkandidat der Partei gilt, oder ob der südböhmische Kreishauptmann Michal Haek, ein Favorit Zemans, das Zepter übernehmen wird, bleibt abzuwarten.

Viele neue Kleinparteien

Nicht zu unterschätzen sind auch die neuen kleinen Parteien, die in dieser Wahl versuchen werden, als Protestparteien von der Politikverdrossenheit der Bevölkerung zu profitieren. Zum einen ist da die ANO des tschecho-slowakischen Milliardärs Andrej Babi. Der Unternehmer, der durch den Kauf des großen Verlagshauses Mafra, einen wichtigen Teil der tschechischen Medien kontrolliert, stilisiert sich gern als Retter des korruptionsgeschüttelten Landes. Politisch ist er zweifelsohne ambitioniert, aber ein vollkommen unbeschriebenes Blatt. Tomio Okamura hingegen, der mit seiner neuen Partei "Usvit" um die Gunst des Wählers buhlt, ist schon ein alter Polithase. Der Reiseunternehmer mit mährisch-japanischen Wurzeln hat es dank populistischer Blogs, Bücher und dem Image eines Kämpfers für den kleinen Mann schon bis in die zweite Parlamentskammer, den Senat, geschafft.

Entscheidend wird aber die Wahlbeteiligung sein. Die könnte niedrig ausfallen. Denn Präsident Zeman hat schon Freitag und Samstag, den 25. und 26. Oktober, als Wahltermin angekündigt. Da der Montag darauf Staatsfeiertag ist, wird erwartet, dass viele Tschechen das lange Wochenende weitab von den Wahllokalen verbringen werden.