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Der Allgemeinheit zuliebe

Von Isabella Lechner

Politik

Neue Studie beschäftigt sich mit wirtschaftlicher Bedeutung von gemeinnütziger Arbeit in Österreich.


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Wien. "Was man nicht in Zahlen messen kann, hat oft weniger Bedeutung", beklagen gemeinnützige Organisationen und fordern seit Jahren ein besseres Sichtbarmachen der gemeinnützigen Arbeit in Österreich. Nun gibt es erste Schritte in diese Richtung: So weist der aktuelle österreichische Wirtschaftsbericht, der am Mittwoch vom Wirtschaftsministerium präsentiert wurde, erstmals auch Zahlen zum sozialen und gemeinnützigen Dienstleistungssektor aus. Gleichzeitig präsentierte Ökonom Gottfried Haber in Wien die Ergebnisse seiner, im Auftrag der Vinzenz Gruppe erstellten, Studie zur wirtschaftlichen Bedeutung der Leistungen gemeinnütziger Einrichtungen in Österreich.

Zehn Milliarden Euro Wertschöpfung

"Mit einer jährlichen Wertschöpfung von rund zehn Milliarden Euro lässt der gemeinnützige Sektor andere große Branchen hinter sich", betont Studienautor Haber die enorme Bedeutung von Gemeinnützigkeit als Wirtschaftsfaktor und Arbeitsplatzbeschaffer. "Das entspricht etwa drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts."

Zudem fallen laut Analyse rund 70.000 Arbeitsplätze in den Bereich Gemeinnützigkeit. Das BIP messe gemeinnützige Aktivitäten derzeit aber entweder gar nicht oder berücksichtige sie mit einem zu geringen Wert: "Rund 1,5 Prozent des BIP werden derzeit nicht erfasst. Es wäre dringend nötig, ähnlich wie bei der Schattenwirtschaft, auch die Gemeinnützigkeit hineinzurechnen und diese genauer zu untersuchen, um die positiven Effekte adäquat beurteilen zu können", fordert Haber. "Dieser Sektor erzielt fast doppelt so viel Wertschöpfung wie der Bereich Energieversorgung und zwei Drittel des Volumens der Bauwirtschaft."

Für die Studie herangezogen wurden die Bereiche formelle Freiwilligenarbeit (Ehrenamt) und Gemeinnützigkeit in Non-Profit-Organisationen, nicht-institutionelle Freiwilligenarbeit (wie zum Beispiel Nachbarschaftshilfe), Spenden sowie Corporate Social Responsibility, sprich gemeinnützige und soziale Arbeit von und in Unternehmen. Am bedeutendsten ist Gemeinnützigkeit demnach in den Querschnittssektoren Gesundheit, Sozialwirtschaft, gemeinnütziger Wohnbau, Sport, Kultur und Bildung.

Generell ist das freiwillige Engagement laut Studie in ländlichen Regionen höher als im städtischen Bereich, in Wien beträgt der Anteil laut Statistik Austria 35 Prozent. Positiv auf das Ergebnis wirkt sich besonders die Freiwilligenarbeit in Vereinen aus - auch im Vergleich mit Deutschland, das im Bereich Gemeinnützigkeit bereits aktiver ist als Österreich: Vier Prozent des BIP werden dort der Gemeinnützigkeit zugeordnet.

Vor allem bei Stiftungen und beim Spendenvolumen hat der deutsche Nachbar die Nase vorn. "Das liegt daran, dass ein Großteil der Stiftungen in Österreich nicht gemeinnützig sind", sagt Haber. In diese Kerbe schlägt auch Michael Heinisch, Geschäftsführer des Krankenhausmanagement-Betriebs Vinzenz Gruppe, dem Auftraggeber der Studie: "Gemeinnützige Stiftungen waren bei uns lange kein Thema", sagt er und plädiert dafür, das von der Regierung vorgelegte Paket zur Attraktivierung gemeinnütziger Stiftungen rasch umzusetzen.

"Gemeinnützige Projekte haben Funktion von Start-ups"

Um den Status der Gemeinnützigkeit zu verbessern, fordert Heinisch bessere Strukturen für die Umsetzung gemeinnütziger Initiativen: "Es braucht Supportstrukturen, damit die Dinge zum Fliegen kommen", sagt er zur "Wiener Zeitung". "Gemeinnützige Projekte haben die Funktion von Start-ups - sie sind soziale Innovatoren und brauchen Unterstützung. Die vorhandenen Hilfsstrukturen für Start-ups passen aber nicht, weil es bei gemeinnützigen Projekten keinen klassischen Return on Investment gibt."

Als weitere strukturelle Hilfsmaßnahme kann sich Heinisch Bürgerstiftungen vorstellen, wie sie in Deutschland bereits erfolgreich existieren: "Das sind kleine Stiftungen, die von Bürgern für regionale Projekte ins Leben gerufen werden und aus kleinen Spenden lukrierte Mittel ausschütten oder ehrenamtliche Hilfe anbieten." Heinischs Vorschlag, ehrenamtliches, gemeinnütziges Engagement verstärkt in beruflichen Bewerbungsverfahren zu berücksichtigen, fand auch bei Wiens Gesundheits- und Sozialstadträtin Sonja Wehsely Anklang. Sie kann sich das bei der Stadt Wien als großer Arbeitgeber durchaus vorstellen.

Neben dem wirtschaftlichen Faktor müsse auch die gesellschaftliche Bedeutung von Gemeinnützigkeit weiter hervorgehoben werden, betont Heinisch: "Rein ökonomisch gesehen sind die Studienergebnisse beeindruckende Zahlen. Viel wichtiger aber ist, dass gemeinnützig tätige Menschen auch eine sinnstiftende Tätigkeit ausüben und einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Dem muss man mehr Stellenwert einräumen."