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Die Geheimdienstarbeit von heute wirkt weit weniger romantisch als in der Vergangenheit. Aber damals wie heute waren die Leistungen der Spionierenden kein Zuckerschlecken.
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Romantik und politische Realität des Spionagewesens kamen diese Woche bei zwei Veranstaltungen in Europa in den Blickpunkt. Könnte man die beiden verbinden, würde das vielleicht die zerstörerischen Kämpfe zwischen US-Kongress und CIA etwas mildern. Ein neuer Zugang zum Geheimdienst, auf politischer Nachhaltigkeit basierend, ist vonnöten.
Zuerst zur romantischen Seite: Ich war zu einer Feier im Pariser Elysée-Palast eingeladen, bei der Jeannie de Clarens geehrt wurde. Sie zählte zu den wichtigsten Spionen des Zweiten Weltkriegs. Sie ist nun 90 Jahre alt und nach einem Beinbruch etwas geschwächt, aber in ihren Augen funkelt immer noch diese schelmische Intelligenz, die ihr damals als junge Frau von 23 Jahren half, aus deutschen Offizieren Geheimnisse herauszulocken.
Über Jeannie de Clarens’ Leistung habe ich 1998 in der "Washington Post" ausführlich berichtet, denn obwohl sie bis dahin nie mit Journalisten über ihre Erlebnisse gesprochen hatte, ging ich ihr damals ohne Unterlass so lange auf die Nerven, bis sie mir alles erzählte: wie sie zu den Informationen über die geheimen Waffen kam, wie sie von der Gestapo verhaftet wurde, ein Jahr im Konzentrationslager verbrachte, ohne etwas über ihre Spionagetätigkeit zu verraten.
Eine Geschichte voll Mut und Tapferkeit - und eine Erinnerung daran, was Spione alles leisten können, wenn sie das Unmögliche wagen. Jeannie de Clarens spielt ihre Tat immer noch herab. "Ich habe nur wiederholt, was ich gehört habe", sagte sie am Dienstag zu mir. Aber Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy würdigte sie als "die Frau, die London gerettet hat".
In der Einleitung zu einem Buch des britischen Meisterspions Reginald Jones, der ihre Berichte damals erhielt, schrieb Jeannie de Clarens: "Diejenigen, die damals im Untergrund arbeiteten, in ständiger Angst - Angst vor dem Unaussprechlichen -, wurden angetrieben vom inneren Gefühl der Verpflichtung, am Kampf teilzunehmen."
Und nun zur heutigen politischen Realität: Wer über schockierende Verhörtechniken wie Waterboarding liest, verliert leicht aus den Augen, womit Spione wie Jeannie de Clarens tatsächlich die meiste Zeit verbringen und wie wichtig ihre Arbeit für die Staatssicherheit ist. Die heute umstrittene Verhörpolitik wurde von der Regierung unter George W. Bush angeordnet, aber bezahlen müssen die Mitarbeiter der CIA dafür.
Die Frage ist nun, wie man die Teile wieder zusammensetzen und das Vertrauen in die Geheimdienste wiederherstellen kann. Dazu hörte ich letztes Wochenende in Genf interessante Beiträge bei einem Treffen des Londoner International Institute for Strategic Studies. Der frühere CIA-Direktor General Michael Hayden betonte neben technischer Machbarkeit und Rechtmäßigkeit als weiteren Punkt für funktionierende Geheimdienstarbeit die "politische Nachhaltigkeit". "Wir brauchen ein Programm, das nicht alle zwei Jahre ab- oder eingeschaltet wird."
Sir David Omand, ehemaliger Koordinator des britischen Geheimdienstes, betonte, dass Geheimdienste einen Paradigmenwechsel akzeptieren müssten: Sie könnten heute nicht mehr alles ganz so einfach machen, wie sie wollen. Heute bekommen sie von der Öffentlichkeit genau die Befugnisse, die sie brauchen, um für Sicherheit zu sorgen.
Dieser "bürgerzentrierte Ansatz" bezieht sich auf die gegenseitige Abhängigkeit: Um die Menschen im Land schützen zu können, benötigen die Geheimdienstler heute mehr Informationen aus der Bevölkerung, besonders über den großen muslimischen Bevölkerungsanteil in Großbritannien. Aber die Öffentlichkeit müsse auch das Risiko sehen, das sie eingeht, wenn sie aus moralischen oder politischen Gründen bestimmte Befragungs- oder Überwachungstechniken ablehnt.
Übersetzung: Redaktion