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Der alte Fuchs war sehr schlau - die jüngere Füchsin vielleicht noch schlauer

Von Edwin Baumgartner

Analysen

So schlau war der alte Fuchs vorgegangen: Mit einer Mischung aus angekündigtem Rückzug und Rückzug vom Rückzug hatte der Bayreuther Festspielleiter Wolfgang Wagner seinen Vertragspartner, die Bayerische Landesregierung, solange zermürbt, bis er, und nur er, seine Nachfolgerin bestimmen konnte. Katharina Wagner sollte es sein. So dekretierte es der alte Mann. Ob es denen in München nun passte oder - wohl eher - nicht. | Die Bayerische Landesregierung, Haupt-Subventionsgeberin der Richard-Wagner-Festspiele, kann nur, wie Wagner will. Durch einen Vertrag ist sie gebunden, dass ein Nachfolger nur in gemeinsamem Einverständnis bestimmt werden kann. Andernfalls bleibt Wagner bis an sein Lebensende Festspielleiter.


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Allenfalls könnte die Bayerische Landesregierung auf Zeit setzen. Aber wie ein allfälliges (und zweifellos vorhandenes) Testament in die Pläne der Landesregierung eingreifen könnte, ist keineswegs klar. Am Ende landet die Sache als Dauerskandal vor Gericht. Das kann das Land Bayern nicht brauchen.

Wolfgang Wagner kalkulierte das ein. Alle Konkurrenten um die Nachfolge gaben zermürbt auf. Jeder ahnte, wie es kommen würde. An der Seite ihres Vaters präsentierte sich Katharina Wagner schon als zukünftige Festspielchefin. Ja, er war schlau vorgegangen, der alte Fuchs.

Und jetzt das! - Nike Wagner, Tochter von Wolfgang Wagners ob seiner künstlerischen Erfolge stets beneideten, früh verstorbenen Bruders Wieland, war zwar clever ausgebootet worden. Doch der neue Schachzug der jungen Füchsin ist jenen des alten Fuchses ebenbürtig: Sie hat Gérard Mortier mit in ihr Boot geholt.

Diese Paarung ist so logisch, dass das Gras auf der gemähten Wiese eilig nachgewachsen scheint. Mortier, der wendige 65-jährige Belgier, hat nicht nur langjährige Erfahrungen als Manager im Opern- und Festspielbereich. Er hat auch schon Festspiele nach langjähriger Monokultur übernommen. In Salzburg nämlich stand Mortier nach Herbert von Karajans Tod vor einem ganz ähnlichen Problem: Festspiele von der langjährigen Identifikationsgestalt weg in die Zukunft zu führen.

Mortier, der für ein zeitgenössisches innovatives Theater steht, wäre also auch für das in letzter Zeit künstlerisch stagnierende Bayreuth eine spannende Lösung. Die streitbare Publizistin und Dramaturgin Nike Wagner wiederum wäre bei einer grundlegenden Erneuerung der Bayreuther Festspiele eine wesentliche Stütze.

Womit die Bayerische Landesregierung nicht mehr als bloße Verhindererin Katharina Wagners auftreten kann, sondern eine echte Alternative zur Diskussion zu stellen vermag. Und Bayreuth wird endlich wieder spannend.

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