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Eine neu gegründete Jugendmiliz sorgt vor den Wahlen für große Unsicherheit, die Lage ist sehr angespannt.
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Kampala. Tränengas, Wasserwerfer, Gummigeschosse, brennende Reifen und Massenpanik - kaum ging am Montag der Wahlkampf in Uganda in die heiße Phase, war Chaos angesagt. Die letzten Tage vor den heute, Donnerstag, anstehenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen nutzten alle Kandidaten, um durch die Hauptstadt Kampala zu touren. Spezialeinheiten der Polizei und Militärpolizisten patrouillieren schwerbewaffnet durch die Innenstadt, Wasserwerfer waren in Stellung gebracht.
Oppositionskandidat Kizza Besigye wurde dabei am Montag im Stadtzentrum von der Polizei abtransportiert und festgesetzt. Sicherheitskräfte gingen massiv gegen dessen Anhänger vor, die Reifen anzündeten, ein Demonstrant wurde erschossen. Die Oppositionsanhänger ließen zahlreiche Poster mit dem Konterfei von Präsident Yoweri Museveni in Flammen aufgehen.
Mächtiger Herausforderer
Der 71-Jährige - der in den 1980er Jahren seine Machtübernahme unter anderem bei einer konspirativen Sitzung mit Kampfgefährten im niederösterreichischen Unterolberndorf plante - zählt zu den ältesten Präsidenten Afrikas, er ist seit geschlagenen 30 Jahren an der Macht. Es mehrt sich die Unzufriedenheit mit seinem Regime: Rund 80 Prozent der Bevölkerung ist unter 30 Jahre alt, diese jungen Bürger haben noch nie einen anderen Präsidenten erlebt - sie wollen Veränderung und gehen dafür lautstark auf die Barrikaden.
Bei dieser Wahl geht es für Museveni um alles oder nichts: Er muss sich nämlich einem neuen und mächtigen Herausforderer stellen - Ex-Ministerpräsident Amama Mbabazi, der sich mit seinem ehemaligen Gefährten Museveni überworfen hatte.
Mit allen Mitteln versucht Museveni daher, die Wahl zu gewinnen: Im Gleichschritt joggen dutzende junge Männer am frühen Morgen durch die Gassen und singen. Angetrieben von Polizisten in Uniform und Schlagstöcken, hetzen sie in Jogginganzügen die Hügel von Kampala auf und ab. Ihr Gesang ist überall deutlich zu hören, er wirkt einschüchternd. "Verbrechensverhüter" werden diese Jugendmilizen genannt, die überall in den Dörfern und Städten patrouillieren. Auch bei den Wahlkampfveranstaltungen von Präsident Yoweri Museveni sieht man sie zahlreich: In weißen T-Shirts mit der Aufschrift "Crime Preventers" stehen sie in Reih und Glied, um die Menschenmassen zu kontrollieren. Wer drängelt, der wird von ihnen abgeführt und der Polizei übergeben. Dabei ist auffällig, wie sie vor dem örtlichen Polizeikommandant die Hacken zusammenschlagen. "Sie helfen uns, Verdächtige in ihren Gemeinden ausfindig zu machen, die ein Verbrechen planen", erklärt der Polizeikommissar in Mityana, einem Landkreis 50 Kilometer außerhalb Kampalas.
"Mein Ziel ist es, die ganze ugandische Bevölkerung als Verbrechensbekämpfer zu unterhalten", erklärt Ugandas Polizeichef Kale Kayihura, als er gefragt wird, wie viele Jugendliche die Polizei landesweit rekrutiert und ausgebildet hat. Die tatsächliche Zahl nennt er nicht. "Ihre Aufgabe ist es, Verbrechen zu verhindern, und das hat mit den anstehenden Wahlen nichts zu tun", so der General.
Vor den anstehenden Wahlen beschäftigt die Debatte um die Jugendmiliz Politiker und Menschenrechtler in Uganda. Der Grund: Organisationsform, Ausbildung, konkrete Aufgaben und Bezahlung der Miliz sind ein großes Geheimnis. "Es sind Freiwillige, die ihre Nachbarschaft überwachen und damit Verbrechen verhindern, sie sollen sich nicht parteiisch verhalten", erklärte einmal Ministerpräsident Ruhakana Rugunda in einer Fragestunde vor dem Parlament.
Die Oppositionsparteien werfen dem Regime vor, diese parastaatlichen Milizen einzusetzen, um Präsident Museveni die Wahl zu sichern. Mbabazi, Ugandas ehemaliger Ministerpräsident und jetzt unabhängiger Kandidat für das Präsidentenamt, vergleicht die Miliz mit den Jugendmilizen Imbonerakure in Burundi oder der Interahamwe in Ruanda. In Burundi verbreitete die Jugendgruppe der Regierungspartei während den umstrittenen Präsidentschaftswahlen 2015 Angst und Terror, ihre Mitglieder waren mit Polizeiunformen und Waffen ausgestattet worden. In Ruanda war die Hutu-Jugend Interahamwe 1994 für die Massentötung an der Tutsi-Minderheit verantwortlich. In beiden Fällen wurden die Milizen ursprünglich als verlängerter Arme von Polizei und Militär gegründet, um "Sicherheit" zu garantieren.
Kriminelle Polizei?
"Die Geheimniskrämerei um die Miliz ist ein ernsthaftes Problem für unsere Demokratie", sagt Chrispy Kaheru, Direktor der Menschenrechtsorganisation "Bürgerkoalition für Wahldemokratie". Die Menschen würden sich fürchten, ihre politische Meinung zu sagen - aus Angst, denunziert zu werden. Die Oppositionskandidaten formieren als Reaktion wiederum eigene Milizen, um in den Dörfern den Verbrechensbekämpfern zu begegnen. "Es ist das totale Chaos, niemand weiß, wer für wen heimlich arbeitet, und dies führt automatisch zu mehr Verbrechen und erhöht das Risiko, dass es nach den Wahlen zu Gewaltakten kommt", sagt Kaheru.
Ugandas gewaltiger Sicherheitsapparat ist derzeit am Zerbröseln. Polizisten sind chronisch unterbezahlt und korrupt. Interne Ermittlungen ließen jüngst schließen, dass die Polizei kriminelle Banden unterhält, die um die Weihnachtszeit die Stadtteile Kampalas unsicher gemacht haben. Hinweise sprechen dafür, dass auch die Verbrechensbekämpfer involviert waren, um sich etwas dazuzuverdienen. Polizeichef Kayihura gilt als enger Museveni-Vertrauter und als einer, dem alle Mittel recht sind, um dem Präsidenten seine Macht zu sichern.
Siehe dazu auch: Uganda Ges.m.b.H