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Geht es um den amerikanischen Traum als greifbaren Mythos, so existiert dieser in Kelly Reichardts minimalistisch gezeichnetem Drama "Wendy and Lucy" (zu sehen heute, Dienstag, 23 Uhr, 3sat) nur in seiner schieren Inexistenz: Längst ist der Traum vom Aufstieg hier ökonomischen Gegebenheiten gewichen.
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Für ihre Geschichte über Armut und deren Tendenz, als sich nach unten drehende Spirale immer neue Probleme zu zeitigen, griff Reichardt - zumindest im Ansatz - auf ein Genre zurück, das ansonsten Aufbruchsstimmung und Abenteuerlust verspricht. Der Plot, der Wendy (Michelle Williams) auf der Suche nach ehrlicher Arbeit in Richtung Alaska treibt, wäre auch als Roadmovie vortrefflich erzählt. Allerdings stottert in Krisenzeiten bekanntlich der Motor: Wendys Auto verweigert den Dienst, die Protagonistin findet sich gestrandet in der trostlosen US-Suburbia. Die junge Frau, deren Geld für die Reparatur nicht ausreichen wird, begeht einen Diebstahl, wird ertappt - und verliert dadurch auch ihre Hündin Lucy, die letzte Gefährtin auf dem langen Weg nach Nirgendwo.
Inmitten einer solchermaßen auf das Ich fokussierten Suche nach Auswegen, von Reichardt empathisch, aber ohne Hang zur dramatischen Geste erzählt, sind es die kleinen und so nicht erwarteten Verbrüderungsgesten, die eine verfahrene Ausgangssituation zumindest zwischendurch ein wenig von ihrem desperaten Blues befreien. In einer Nebenrolle als verschrobener Obdachloser taucht im Übrigen nicht umsonst der US-Musiker Will Oldham ("I See A Darkness") auf. Die von ihm einst besungene Dunkelheit (und deren Gegengift in der zwischenmenschlichen Beziehung) ist im Film allgegenwärtig.