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Der Anfang vom Ende der CSFR

Von Joachim Hohl

Europaarchiv

Heute vor zehn Jahren - am 17. Juli 1992 - verabschiedete das slowakische Parlament die Deklaration über die Souveränität des Landes und läutete damit das Ende der CSFR ein. Der Präsident der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik, Vaclav Havel, kündigte prompt seinen Rücktritt an, den er drei Tage später auch vollzog.


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"Wir, der demokratisch gewählte Slowakische Nationalrat, erklären feierlich, dass die tausendjährigen Bemühungen des slowakischen Volkes um eine Selbständigkeit erfolgreich gewesen sind."

Nach 75 Jahren in einem hauptsächlich von Tschechen dominierten Staat wurde die seit dem 30. Oktober 1918 nicht ratifizierte Deklaration über die nationale Selbständigkeit der Slowakei am 17. Juli 1992 erneuert. Von nun an ging alles ganz schnell: Dem Rücktritt Havels folgte nur zwei Tage später ein Abkommen zwischen der tschechischen ODS und der slowakischen HZDS über die Teilung des Landes, im August einigte man sich auf ein Harmonogramm der Teilung, im Oktober bestätigte die tschechoslowakische Regierung das bevorstehende Ende der Republik zum 31. Dezember 1992.

Nur die Geschwindigkeit des Prozesses überraschte, die Teilung selbst hatte sich bereits seit den Tagen der Samtenen Revolution abgezeichnet. Ausdruck dieser Diskussionen war bereits im März 1990 der sogenannte Bindestrich-Krieg gewesen. Wochenlang diskutierten Parlament und Öffentlichkeit, bis sich die Abgeordneten schließlich auf einen neuen, provisorischen Namen für ihr Land einigten. Die Tschecho-slowakische Föderative Republik wurde mit einem Bindestrich geschrieben, der einen Monat später von einem "und" ersetzt wurde.

Zum Fiasko wurden die Verhandlungen über die zukünftige staatsrechtliche Ordnung des Landes im Februar 1992 - das slowakische Parlament lehnte die zuvor mühevoll ausgearbeiteten Kompromisse ab. Bei den Wahlen im Juni des Jahres setzten sich schließlich auf beiden Seiten grundverschiedene Charaktere durch: Der eher linksgerichtete Vladimir Meciar (HZDS) in der Slowakei, der dem Staat weitreichende Einflussmöglichkeiten auf die Wirtschaft einräumte, und Vaclav Klaus (ODS) in Tschechien, Verfechter eines neoliberalen Wirtschaftskonzeptes. Dass diese Politiker auf keinen Fall eine gemeinsame Regierung eingehen konnten, war klar - und tatsächlich forcierten beide sofort die Trennung der beiden Staatshälften.

Noch über Jahre blieben Meciar und Klaus an der Macht - eine "politische Eiszeit" zwischen der Slowakei und Tschechien war angebrochen. Den gemeinsamen Zeiten weint heute in Bratislava jedenfalls (fast) niemand mehr nach. Offen bleibt die Frage, ob die Trennung rechtlich und politisch korrekt war. Und erkundigt man sich bei Slowaken, glaubt kaum einer, dass sich bei einer Abstimmung eine Mehrheit dafür gefunden hätte.