)
Die "Panama Papers" schwächen den ukrainischen Präsidenten Poroschenko. Von einem Amtsenthebungsverfahren ist die Rede.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Kiew. Es war ein bizarrer Auftritt. Petro Poroschenko ließ die Reporterin nicht einmal ausreden, und schon polterte er vor laufenden Kameras los: "Ich kenne diesen Artikel", so Poroschenko. "Aber Sie müssen verstehen, dass gegen die Ukraine ein hybrider Krieg geführt wird." Die Reporterin hatte den ukrainischen Präsidenten am Rande des "Nuclear Security Summits" in Washington um ein Statement zu einem Artikel in der "New York Times" gebeten, mit dem Titel: "Die unbeugsame Korruption der Ukraine".
Die Aussage brachte Poroschenko viel Hohn ein. Dass die Korruption in der Ukraine auch zwei Jahre nach dem Maidan fast ungebrochen ist, ist kein Geheimnis. Es sollte allerdings erst der Auftakt zu einer schlechten Woche für den Präsidenten sein: Glaubt man den Enthüllungen des Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP), so soll Poroschenko in den ersten Monaten seiner Amtszeit die Gründung von Offshore-Firmen für sein Firmenimperium beauftragt haben. Der nächste Schlag im "hybriden Krieg gegen die Ukraine?", spotteten ukrainische Journalisten.
Kein "neues Leben"
Bisher hat sich Poroschenko nur in einem dünnen Facebook-Posting zu den Vorwürfen geäußert: "Ich bin nicht am Management meiner Assets beteiligt und habe diese Verantwortung an Berater und Juristen ausgelagert." Die Panama Papers werfen dennoch viele Fragen auf: Hat der Präsident damit Steuern hinterzogen, seine Vermögenswerte verschwiegen? Die Vorwürfe sind gerade deswegen so brisant, weil Poroschenko im Wahlkampf vollmundig "ein neues Leben" versprochen hatte - den Auftakt zu einer neuen Ära von Transparenz in Politik und Finanzgebaren. Die von Poroschenko beauftragte Rechtskanzlei weist die Vorwürfe zurück. Es seien keine Steuern hinterzogen worden, mit der Konstruktion würde man lediglich den Verkauf der Anteile des Präsidenten am Schokoladenimperium "Roshen" vorbereiten. Das sehen Anti-Korruptions-Aktivisten freilich anders. "Dass er es verabsäumt hat, sein Investitionen in einem Offshore-Unternehmen zu deklarieren, ist ein klarer Verstoß gegen Anti-Korruptions-Standards", so Oleksij Chmara von Transparency International.
Konkret geht es um drei Offshore-Unternehmen: eines auf den Britischen Jungferninseln (Prime Asset Partners Limited), eines auf Zypern (CEE Confectionary Investments Limited) und eines in den Niederlanden (Roshen Europe BV). Offshore-Konstruktionen sind für große Unternehmen in der Ukraine tatsächlich üblich. Zusammen kommen diese drei Unternehmen laut OCCRP auf eine Summe von 3085 US-Dollar Grundkapital. Eine niedrige Summe - für einen Oligarchen, der angetreten ist, um die Macht der Oligarchen zu brechen, dennoch keine besonders gute Optik. "Sollten Führungspersonen nicht mit gutem Beispiel vorangehen, wenn es ein Schlüsselfokus der Reformen ist, die Wirtschaft transparent zu machen?", fragt der Finanzberater Timothy Ash in einem Kommentar in der "Kyiv Post". Laut Daten des OCCRP entgehen dem ukrainischen Staatsbudget durch Offshore-Konstruktionen 11,6 Milliarden US-Dollar jährlich an Steuergeld. Zum Vergleich: Das Hilfsprogramm des Internationalen Währungsfonds IWF für die Ukraine beläuft sich auf 17,5 Milliarden US-Dollar.
Die zentrale Frage ist, welche politischen Konsequenzen aus dem Skandal erwachsen. Das Schicksal einer geplanten Zweierkoalition aus "Block Petro Poroschenko" und der Partei des Premiers Arseni Jazenjuk "Volksfront", um die seit Wochen gerungen wird, ist ungewiss. Bis zuletzt galt es als ausgemachte Sache, dass Poroschenko seinen Vertrauten Wolodymyr Hrojsman als neuen Premier installieren kann. Ob Poroschenko nach den Panama Papers noch genügend politisches Kapital dafür hat, ist offen.
Einziger Profiteur
Während Oppositionelle ein Amtsenthebungsverfahren fordern, machen sich die Maidan-Aktivisten und Abgeordnete des "Block Petro Poroschenko" Serhij Leschtschenko und Mustafa Naijem für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss stark. Die Enthüllungen werden Poroschenko wohl auch international noch ungemütliche Fragen bereiten. Dass die Präsidentschaft auch dem Wirtschaftsimperium des "Schoko-Oligarchen" alles andere als geschadet hat, ist in der Ukraine schon länger bekannt. Als einziger Oligarch konnte Poroschenko im Jahr 2015 trotz Wirtschaftskrise sein Vermögen um 100 Millionen US-Dollar steigern.