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Der Angriff der Staatskapitalisten

Von Harald Waiglein

Wirtschaft

Staaten könnten 2015 zehn Prozent des globalen Aktienvermögens halten. | Beteiligungen an strategisch wichtigen Firmen erwartet. | Großteil der Staatsfonds sehr intransparent. | Wien. Alles begann eigentlich mit Vogelkot: Die britische Kolonie der Gilbert Islands im Pazifik machte nämlich diese auf ihrem Staatsgebiet früher reichlich vorhandene Ressource insofern zu Gold, als sie sie exportierte. Die darin enthaltenen Phosphate sind nämlich ein wesentlicher Rohstoff bei der Produktion von Dünger.


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Dass aber kein Vermögen auf dieser Welt unerschöpflich ist, nicht einmal, wenn es aus Vogelkot besteht, war der britischen Verwaltung schon im Jahr 1956 klar. Damals schuf sie einen Kapitalfonds für die Insel, der als Reserve für jene Jahre dienen sollte, nachdem die Insel frei von sämtlichen Exkrementen war. Gespeist wurde dieser Fonds aus einer Zollabgabe, die auf die Ausfuhr von Phosphaten eingehoben wurde. Seit 1979, dem Jahr der Unabhängigkeit, exportieren die Gilbert Islands keinen Vogelkot mehr. Der Reservefonds aus der damaligen Zeit ist mittlerweile neunmal so groß wie die gesamte Wirtschaftsleistung der Inseln.

Ähnlich machten es die Norweger in den 90er Jahren. Seit damals wird aus den Ölexporten des Landes ein Nationalfonds befüllt, der als Reserve für die Zeit nach dem Öl dienen soll. Das norwegische Beispiel beeindruckte viele aufstrebende Exporteure: Russland, China, Kasachstan, Aserbaidschan, Nigeria, Angola und Venezuela wollen entweder ebenfalls derartige Fonds einrichten oder haben sie bereits eingerichtet.

Während der norwegische Fonds allerdings ein Musterbeispiel an Transparenz ist (er ist an 13 österreichischen Unternehmen beteiligt, unter anderem an der Erste Bank, der OMV, der Telekom, dem Verbund, Raiffeisen International und der Voest), weiß man nur wenig über die Beteiligungen und Größen anderer Staatsfonds.

Nach Schätzungen der Investment-Bank Morgan Stanley verfügen Staatsfonds derzeit über ein Kapital von 2500 Milliarden Dollar. Die größten unter ihnen sind - mit Ausnahme des norwegischen - in den erdölreichen arabischen Ländern sowie in Russland und Asien beheimatet (siehe Grafik).

15.000 Milliarden

Damit sind die Staatsfonds bereits jetzt gewichtige Akteure in der Finanzwelt: Die weltweiten Devisenreserven aller staatlichen Notenbanken liegen derzeit bei etwa 6000 Milliarden Dollar. Doch bereits im Jahr 2011 soll nach Schätzung von Morgan Stanley das Vermögen der Staatsfonds höher sein als die Devisenreserven. Bis zum Jahr 2015 soll es auf die unvorstellbare Summe von 15.000 Milliarden Dollar anwachsen - befüllt vom anhaltenden Höhenflug der Ölpreise und dem Exportboom in den asiatischen Ländern.

Solch riesige Summen werden ihre Spuren auf den Finanzmärkten hinterlassen. Sollte sich diese Entwicklung bewahrheiten, könnten Staatsfonds 2015 fast 10 Prozent des weltweiten Aktienvermögens halten. Derzeit sind es etwa 2,5 Prozent. Wenig verwunderlich also, das in westlichen Staaten bereits darüber nachgedacht wird, wie man verhindern kann, dass Schlüsselunternehmen in ausländischen Staatsbesitz gelangen.

Doch noch stehen diese Entwicklungen am Anfang. China etwa verfügt derzeit über Devisenreserven von 1200 Milliarden Dollar. Nur 300 davon sollen zunächst diesen Herbst in einen neuen Staatsfonds eingebracht werden, der wahrscheinlich den Namen Huei Lian Company tragen wird. Drei Milliarden davon wurden für Investitionen bereits vorgezogen. Um dieses Geld wurde eine knapp 10-prozentige Beteiligung am US-amerikanischen Private-Equity-Fonds Blackstone erworben. Die Chinesen sind bemüht, nicht bedrohlich zu wirken. Bei Blackstone verzichten sie auf ihre Stimmrechte. Ob sie oder andere - etwa die Russen - in Zukunft bei anderen Beteiligungen ähnlich sanft vorgehen werden, steht allerdings in den Sternen.

Morgan Stanley erwartet, dass sich die Staatsfonds vor allem an westlichen Unternehmen beteiligen werden, deren Know-How oder Technologien sie nicht leicht imitieren können - in der Hoffnung, so indirekt einen Transfer bewirken zu können. Hi-Tech-Firmen könnten so ebenso ins Visier der Chinesen geraten wie Banken.

An einer großen, westlichen Bank zeigt China bereits Interesse: ABN Amro. Die britische Barclays Bank hat staatliche Investoren in China und Singapur um finanzielle Hilfe bei der geplanten Übernahme des niederländischen Kreditinstituts gebeten. China und Singapur waren sofort mit einem Kapital von fast vier Milliarden Euro zur Stelle.