Zum Hauptinhalt springen

Der Angstgegner

Von Michael Schmölzer

Leitartikel
Michael Schmölzer ist Redakteur des Ressorts Europa & Welt.
© WZ

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 5 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Benjamin Netanjahu hat jeden Grund, sich mit voller Energie in den Wahlkampf zu werfen. Am Dienstag wählt Israel ein neues Parlament und für den Premier geht es um alles. Schließlich droht ihm eine Anklage wegen Betrugs und Vertrauensmissbrauchs. Der Generalstaatsanwalt wetzt das Messer. Wenn Netanjahu da heil herauskommen will, dann nur in der Funktion des Regierungschefs, der sich Immunität verschaffen kann. Fraglich freilich, ob die künftigen Koalitionspartner da mitspielen.

In Benny Gantz ist Netanjahu in der politischen Mitte ein Gegner erwachsen, der dem Langzeit-Premier (es wäre die fünfte Amtszeit) wirklich gefährlich werden kann. Gantz ist ein schneidiger, großgewachsener General, der gegen die Hamas und die Hisbollah gekämpft hat, was dem Sicherheitsbestreben vieler Israelis entgegenkommt. Netanjahu fällt es im direkten Duell mit dem verdienten Militär schwer, sich als einziger Schutzpatron Israels zu stilisieren. Wie sehr er die Strahlkraft Gantz’ fürchtet, zeigt sich schon daran, dass der Premier tief in den Schmutzkübel greift, um seinen Gegner zu diskreditieren. In Wahlkampf-Videos wird Gantz als psychisch labil und ungeeignet für das Amt des Premierministers gezeichnet.

Das ist natürlich Unfug. Wahr ist, dass sich Gantz in vielen Fragen nicht genau festgelegt hat. So setzt er sich auf der einen Seite für den Erhalt der großen jüdischen Siedlungen im Westjordanland ein, distanziert sich aber von der israelischen Besatzung. Auch, dass es nach einem Wahlsieg eine Art Doppelspitze, bestehend aus Gantz und Ex-Finanzminister Yair Lapid, geben soll, ist ein Manko.

Mit seinem Parteienbündnis "Blau-Weiß" ist der Ex-Stabschef um Versöhnung in Israel selbst bemüht. Das kommt dem Harmoniebedürfnis vieler Israelis entgegen, hat Netanjahu doch lange Jahre in die entgegengesetzte Richtung gearbeitet. Das gipfelte in der Aussage, dass Israel nicht das Land all seiner Bürger sei, sondern der "Nationalstaat des jüdischen Volkes". Was alle Araber mit israelischem Pass automatisch zu Bürgern zweiter Klasse macht, auch wenn Netanjahu dies in Abrede stellt.

Der Premier will mit seiner Ausgrenzungspolitik im rechten Wählersegment fischen. Da sollte er im eigenen Interesse Mäßigung walten lassen und den rechten Splitterparteien nicht zu viele Stimmen wegnehmen. Denn wahlentscheidend ist, wie viele der kleinen rechten Gruppierungen, die Netanjahu schon jetzt unterstützt haben, den Sprung über die niedrige 3,25-Prozent-Hürde und den Einzug in die Knesset, das israelische Parlament, schaffen.

Netanjahu wirft jedenfalls seine ganze politische Erfahrung und Energie in die Waagschale, um nicht hinter Gitter zu müssen.