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Der Anti-Obama

Von Ronald Schönhuber

Politik

Der erzkonservative Senator und Tea-Party-Liebling Ted Cruz will US-Präsident werden.


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Washington. Es ist knapp eineinhalb Jahre her, da stand Ted Cruz schon einmal im globalen Scheinwerferlicht. Allerdings sah der 42-jährige Senatsneuling damals, als alle Kameras und Mikrofone nur auf ihn gerichtet waren, nicht unbedingt frisch aus. Um die Augen hatten sich deutlich sichtbare Ringe gelegt, die Stimme klang verbraucht. Kurz zuvor hatte der Senator aus Texas eine 21-stündige Rede beendet, mit der er den 1957 aufgestellten Rekord im Filibustern - also dem Dauerreden, um Abstimmungen zu verhindern - nur knapp verfehlt hatte.

Cruz hatte im Frühherbst 2013 freilich andere Ziele, als jahrzehntealte Rekorde zu brechen. Mit seinem Redemarathon lieferte der Republikaner, der schon damals als Liebling der streng konservativen Tea-Party-Bewegung galt, den Startschuss für einen erbittert geführten Streit um das Prestigeprojekt von Präsident Barack Obama. Dass Cruz und seine Anhänger bereit waren, bis zum Äußersten zu gehen, um die Gesundheitsreform zu Fall zu bringen, wurde dabei relativ rasch klar: Die notwendigen Stimmen für die Verabschiedung des Bundeshaushaltes sollte es erst geben, wenn Obamacare massiv zusammengestutzt wird. Den 16-tägigen Stillstand in der gesamten US-Verwaltung nahm man dabei ebenso billigend in Kauf wie die Zahlungsunfähigkeit, die den USA wegen des Erreichens der Schuldenobergrenze drohte.

"Beklopfte Vögel"

Mit seiner harten Haltung im Budgetstreit, der letztendlich mit einem Kompromiss beendet wurde, hatte der Senator aus Texas auch viele Parteifreunde gegen sich aufgebracht.

John McCain, der 2008 gegen Obama angetreten war, bezeichnete Cruz und andere Tea-Party-Vertreter als "beklopfte Vögel". Doch um Parteifreunde dürfte es dem Absolventen der Elite-Unis Harvard und Princeton auch nicht gegangen sein. Schon damals wurde in Washington gemunkelt, Cruz wolle sich als Rädelsführer im Budgetstreit bloß einen Namen machen, um sich für die Präsidentschaftswahl 2016 in Stellung bringen.

Dass der Sohn eines Kubaners und einer Amerikanerin ganz nach oben möchte, steht mittlerweile zweifelsfrei fest. "Ich kandidiere für das Präsidentenamt und hoffe, Ihr Vertrauen zu gewinnen!", schrieb Cruz am Montag in einer Twitter-Botschaft und fügte ein 30 Sekunden langes Video an, das bereits die Marschrichtung erkennen lässt. "Wir brauchen eine neue Generation von mutigen Konservativen, um zu helfen, Amerika wieder groß zu machen", sagt Cruz, während eine ländliche Kirche, Schulkinder beim Fahneneid und die Golden-Gate-Brücke in San Francisco zu sehen sind. Er sei bereit, die Führung in diesem Kampf zu übernehmen.

Es sind Bilder und Worte, die bei der konservativen Wählerbasis gut ankommen dürften. Denn groß ist die Tea-Party-Bewegung vor allem mit dem Ruf nach weniger Staat geworden. Washington gilt unter ihren Anhängern als Hort der Bürokraten, die die Freiheit des Einzelnen beschneiden, den Waffenbesitz reglementieren und Abtreibungen ermöglichen.

Doch während Cruz mit seinem Versprechen von "small government" den rechten Rand wohl weitflächig abschöpfen kann, dürfte der 44-Jährige, der die Verantwortung des Menschen am Klimawandel bezweifelt und der die Homo-Ehe entschieden ablehnt, bei gemäßigten Republikanern und den wichtigen Wechselwählern Probleme haben. Denn hier gelten allzu konservative Positionen ebenso als rotes Tuch wie mangelnde Kompromissfähigkeit und nicht vorhandener politischer Pragmatismus. Vor allem dass Cruz vor zwei Jahren den "goverment shutdown" provoziert hat, wird ihm von dieser Wählergruppe bis heute übel genommen.

Weniger Spender

In jedem Fall hat sich Cruz durch seinen frühen Start aber eine für einen Newcomer wichtige Ausgangsposition verschafft. Da noch kein anderer prominenter Politiker den Hut in den Ring geworfen hat, sichert sich der ehemalige Generalstaatsanwalt von Texas mehrere Wochen lang die Aufmerksamkeit der Medien. Bereits unmittelbar nach den ersten Gerüchten über eine Kandidatur kannten die US-Nachrichtensender am Sonntag nur ein Thema.

Taktisch nimmt Cruz dafür allerdings einen Nachteil in Kauf, weil er im Gegensatz zu anderen Hoffnungsträgern jetzt im April seine Wahlkampfspenden offenlegen muss. Wer länger wartet, muss sich erst im Juli in die Kasse schauen lassen, kann auch Zuwendungen annehmen, die das Limit von 5400 Dollar überschreiten. Und auch wenn Cruz als überaus talentierter Spendeneintreiber gilt, fehlt ihm die Unterstützung der wirklich mächtigen konservativen Geldgeber wie den Industriellen Charles und David Koch.

Und im Gegensatz zur demokratischen Seite, wo die ehemalige First Lady Hillary Clinton im Falle eine Kandidatur kaum Platz neben sich lassen würde, dürfte es in der Grand Old Party auch einen massiven Konkurrenzkampf geben. Mehr als ein Dutzend Republikaner zeigen laut Medienberichten Interesse, im Jänner 2016 die Nachfolge von Obama anzutreten, der nach zwei Amtszeiten nicht wieder kandidieren darf.

Angeführt wird das Feld von Jeb Bush, der das Weiße Haus dank seines Vaters und ehemaligen Präsidenten George H. W. Bush schon als junger Mann aus nächster Nähe kennenlernte. Der Ex-Gouverneur von Florida, der sich auch auf die Unterstützung der finanzkräftigen Spender-Elite verlassen kann, kommt der jüngsten CNN-Umfrage zufolge auf 16 Prozent Zustimmung, gefolgt von Wisconsins Gouverneur Scott Walker (13 Prozent) und dem libertären Senator aus Kentucky, Rand Paul (12 Prozent). Cruz landet weit dahinter bei nur 4 Prozent und damit noch hinter New Jerseys Gouverneur Chris Christie und Latino-Liebling Marco Rubio (je 7 Prozent). Dass das politische Establishment Amerikas mit ihnen zu rechnen hat, haben die Vertreter der Tea Party in der Vergangenheit allerdings schon mehr als ein Mal bewiesen.