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Der Anti-Terror-Kampf ließ EU und USA die Lage in Kenia ignorieren

Von Klaus Huhold

Analysen

Augen zu und durch: Dies schien in den vergangenen Jahren das Motto der Kenia-Politik von EU und USA gewesen zu sein.


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Jahrelang wurde Kenia als Hort der Stabilität gepriesen und das anhaltende Wirtschaftswachstum gelobt. Was man dabei übersehen hat: Dass nur eine kleine, korrupte Elite von dem Wachstum profitierte und die Armen im Elend blieben. Und dass es vor allem die mächtige Ethnie von Präsident Mwai Kibaki - die Kikuyu - war, die von dem Wachstum profitierte, was in dem afrikanischen Vielvölkerstaat die sozialen Spannungen mit ethnischen vermengte.

Nun kam für den Westen das böse Erwachen: Der offensichtliche Wahlbetrug Kibakis gegenüber seinem Konkurrenten Raila Odinga führte zur Entladung der sozialen und ethnischen Spannungen und kostete bereits bis zu 350 Menschen das Leben. EU und USA sind nun zum Handeln gezwungen.

Ein Zusammenbruch Kenias wäre nämlich eine Katastrophe, hat das Land doch eine immense strategische Bedeutung: Die Hauptstadt Nairobi ist der Sitz zahlreicher internationaler Organisationen und Konzerne, die in Ostafrika operieren. Und vor allem: Kenia ist ein entscheidender Verbündeter im Kampf gegen den Terrorismus.

Denn Ostafrika, wo Kenia liegt, ist ein Pulverfass: Der Sudan steht wegen Unterstützung des Terrorismus auf der US-Liste der Schurkenstaaten. Zahlreiche Al-Kaida-Terroristen befinden sich laut US-Informationen im Land. Das von einem Bürgerkrieg geplagte Somalia gilt als Rückzugsgebiet und Transitraum für Terroristen. Und auch in Kenia selbst kam es schon zu Anschlägen militanter Islamisten: So starben 1998 bei einem Attentat auf die US-Botschaft in Nairobi mehr als 200 Menschen.

Vor allem die Vereinigten Staaten arbeiten eng mit den kenianischen Behörden zusammen. US-Spezialkräfte sollen etwa an Vernehmungen von Terror-Verdächtigen in Nairobi beteiligt gewesen sein.

Im Namen des Kampfes gegen den Terror waren die USA und die EU anscheinend bereit, vor den inneren, unheilvollen Entwicklungen Kenias die Augen zu schließen. Hauptsache war, es blieb ruhig.

Doch mit der Ruhe ist es nun vorbei, und erst jetzt in letzter Sekunde üben die Europäische Union und die USA Druck auf Kibaki aus, dessen Wahlsieg sie nicht anerkennen. Dieser scheint nun einzulenken und deutet an, dass er eventuell eine Wahlwiederholung akzeptieren würde. Doch es bleibt fraglich, ob das Land dadurch wieder friedlich wird. Die Zukunft eines Verbündeten im Anti-Terror-Kampf steht auf der Kippe - und der Westen selbst hat seinen Teil dazu beigetragen. Seite 6