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Der Apotheker, der auch mich versteht

Von Moritz Gottsauner-Wolf

Politik
Die Preisträger sind die Apotheker Vuk Pejovic und Christian Wurstbauer, der Judoclub café+co und die Bloggerin Parvin Razavi.
© Privat

Preisträger sollen als Vorbilder dienen und zum Nachahmen animieren.


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Wien. Schon einmal beim Arzt gewesen und nur Bahnhof verstanden? Ärztesprache entschlüsseln: Was für Patienten mit deutscher Muttersprache schon schwierig genug ist, wird für Menschen mit anderer Muttersprache oft zur Hürde. Das gilt nicht nur für Arztpraxen, sondern auch für Apotheken. Um des Problems Herr zu werden, hat der Wiener Apotheker Christian Wurstbauer vor zwei Jahren gemeinsam mit seinem Kollegen Vuk Pejovic mit der Neulerchenfelder Apotheke in Ottakring die erste multilinguale Apotheke Wiens gegründet. Ihre acht Mitarbeiter beherrschen Türkisch, Bosnisch, Kroatisch, Serbisch, Albanisch und Polnisch. Sie beraten ihre Kunden und erklären ihnen Medikamente und Rezepte in jener Sprache, die sie am besten verstehen.

"Die Mehrsprachigkeit schafft bei Kunden und Patienten Vertrauen", sagt Wurstbauer. Das sei im Gesundheitsbereich eine Grundvoraussetzung für eine gute Behandlung. "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Menschen sich abkapseln und es Berührungsängste gibt, wenn sie glauben, dass sie nicht gut genug Deutsch sprechen." Nicht nur ältere Menschen, auch junge, die perfekt Deutsch sprechen, wenden sich laut Wurstberger bei Gesundheitsgesprächen im Zweifel lieber an jemanden, der in ihrer Muttersprache spricht.

Mit dem Projekt haben Wurstbauer und Pejovic den Preis der Wiener Vielfalt in der Kategorie "Wirtschaft" gewonnen. Der vom Verein Wirtschaft für Integration und dem ORF gestiftete Preis zeichnet Projekte und Unternehmungen aus, die das Zusammenleben verschiedener Sprachen und Kulturen in Wien fördern. Er wurde am Donnerstag erstmals in sechs verschiedenen Kategorien vergeben. Die Preisträger sollen auch als Vorbilder dienen. So glaubt auch Christian Wurstbauer, dass seine Apotheke Nachahmer finden sollte: "Die Gesundheitsberufe sollten sich überhaupt auch in diese Richtung orientieren. Wenn wir ein tolles Gesundheitssystem haben, aber viele es nicht nutzen können, dann läuft irgendwas falsch."

Judoclub, der sich um die Nachhilfe kümmert

Richtig läuft es nach Ansicht der Jury auch im 2. Bezirk, wo der Judoclub café+co Samurai zu Hause ist. Das Zentrum hat den Preis in der Kategorie "Sport" gewonnen. Judo zählt traditionell noch immer eher zu den Männersportarten. Doch im Judoclub Samurai werden schon seit den Sechzigern Frauen und Mädchen in diesem traditionellen japanischen Kampfsport ausgebildet. Seit einigen Jahren geht das Engagement der Trainer noch ein bisschen weiter: Neben der sportlichen Ausbildung kümmern sie sich auch um die berufliche Ausbildung der jugendlichen Teilnehmer, vermitteln ihnen Lehrstellen oder Nachhilfen für die Schule. "Das ist von selbst so gewachsen", sagt Leopold Korner, der Leiter des Klubs. "Es hat sich durch die wandelnde Bevölkerung im 2. Bezirk so ergeben, dass immer mehr Mädchen und Burschen mit Migrationshintergrund zu uns kommen. Ich bin dann oft der Ansprechpartner für die Firmen, die Lehrstellen anbieten, weil die Eltern oft nicht so gut Deutsch können." Fündig wird der 55-Jährige vor allem bei Firmen, die das Judo-Zentrum als Sponsoren finanziell unterstützen. "Ich sehe mich aber nicht als der Förderer ausländischer Mädchen und Burschen. Es geht einfach darum, ihnen auf die Sprünge zu helfen. Das ist einfach eine Selbstverständlichkeit, die man machen sollte oder müsste", sagt er. Das Vereinsleben und der Sport selbst seien ebenso förderlich für die Integration. Auf Trainingslagern und beim Training lernt man sich kennen und spricht in der Regel Deutsch. "Ich sehe da ein großes Potenzial, der im gesamten Judo-Sport in Wien auch gelebt wird. Dafür sehe ich mich als Repräsentant", sagt Korner.

Verschiedene Kulturen vereinen, das verbindet das Judo-Trainingslager mit der Küche Parvin Razavis. Die 35-jährige Österreicherin mit iranischen Wurzeln hat den Preis der Wiener Vielfalt in der Kategorie "Küche und Kulinarik" abgesahnt. Dabei ist sie längst keine Unbekannte mehr: Seit drei Jahren betreibt Razavi ihren erfolgreichen Blog "thx4cooking" und schreibt Kolumnen für die Zeitschrift "Biorama".

Immigranten und das Salz in der Suppe

Bekannt gemacht haben sie ihre unkonventionellen Rezepte, die kulinarische Einflüsse aus dem Orient, Nordafrika, Asien und Österreich vereinen. Und hin und wieder brät sie auch einmal Wassermelone in der Pfanne. "Meine Küche ist zwar persisch geprägt, aber nicht persisch, sondern die Summe dieser Einflüsse aus verschieden Kulturen mit ihren Zutaten und Gewürzen", sagt Razavi. Mit acht Jahren kam sie mit ihren Eltern nach Österreich. Was Immigranten an kulinarische Kultur in die Gesellschaft einbringen sei "das Salz in der Suppe", sagt sie. "Da verschmilzt man auch miteinander. Ich glaube die kulinarische Vielfalt einer Gesellschaft ist die Summe aller Menschen, die hier leben." Neben ihren Blogs arbeitet Razavi als Caterer für Firmen. Zentrales Thema ihrer Arbeit ist auch die Nachhaltigkeit. Die Zutaten ihrer Gerichte bezieht sie möglichst regional und saisonal und tritt für einen bewussteren Umgang mit Lebensmitteln ein. Ein eigenes Lokal ist derzeit noch nicht in Planung. Stattdessen arbeitet Razavi gerade an einem Kochbuch, das nächstes Jahr erscheinen soll.