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Der Arbeitsurlaub

Von Clemens Neuhold

Politik

Die Gewerkschaft arbeitet an ihrem Steuerpapier. Bei der Vermögenssteuer tauchen Verfassungsfragen auf.


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Wien. Ihren Urlaub am Steuerrad verbringen einige Politiker und Experten diesen Sommer nicht nur an Bord eines Mietautos oder einer Yacht, sondern in muffigen Sitzungszimmern. Einerseits tagt die Steuerreformkommission der Regierung und parallel dazu die Steuergruppe des Gewerkschaftsbundes ÖGB. Die Koalitionsbrüder im Dauerstreit, SPÖ und ÖVP, halten sich bedeckt, was den Fahrplan für ihre Steuerpläne betrifft. Denn Konsens gibt es nur über das Ziel einer deutlichen Lohnsteuersenkung für die Arbeitnehmer, nicht aber über den Weg dorthin.

Durch die Geheimhaltung will man jegliches Störfeuer im Keim ersticken. Denn schon jetzt ist die Stimmung rund um den Streit pro oder kontra Vermögenssteuern derart aufgeheizt, dass einzelne Parteimitglieder schon das Ende der Koalition dämmern sehen.

Aus dem Finanzministerium heißt es nur, dass die Kommission der Regierung bis Oktober ein Papier als Diskussionsgrundlage vorlegen werde. Über die Art und Weise der Verhandlungen herrscht Stillschweigen.

Bühne für Steuer-Contestist schon gebucht

Ambitionierter ist der Fahrplan des ÖGB. "Wir werden das Steuerpapier am 16. September im Bundesvorstand beschließen und am 18. September bei der Betriebsrätekonferenz präsentieren", sagt Willi Mernyi zur "Wiener Zeitung". Er ist Leiter der von einer Unterschriftensammlung flankierten ÖGB-Kampagne "Lohnsteuer runter". Die Einladungen an die Betriebsräte werden schon jetzt ausgesprochen, so sicher ist man sich eines Ergebisses.

Das liegt wohl daran, dass der wesentliche Kompromiss zwischen dem roten und schwarzen ÖGB-Lager bereits erzielt wurde: Vermögenssteuern als Gegenfinanzierung für Lohnsteuersenkungen. Dass er sich das vorstellen kann, hat der Chef der Fraktion Christlicher Gewerkschafter, Norbert Schnedl, wiederholt betont. Auf der anderen Seite zeigt sich die stärkste Fraktion im ÖGB, die Sozialdemokratischen Gewerkschafter, betont offen was die Art der Vermögenssteuern betrifft. "Wir werden uns nicht an Dogmen oder Wörtern aufhängen", sagt Mernyi. Eines dieser Reizwörter ist "Vermögenssteuer". Der ÖGB fordert diese Steuer auf Finanzvermögen oder Immobilien schon lange. Doch es könnte alternativ auch auf ein Bündel an "vermögensbezogenen Steuern" hinauslaufen (siehe Grafik).

Das kann von höheren Grundsteuern über Umwidmungsabgaben bis hin zu einer Verlängerung des bis 2016 befristeten Solidarbeitrages für Topverdiener und der Bankenabgabe reichen. Mernyi nennt keine Details, meint aber: "Da sind wir kreativ. Wichtig ist, dass eine Steuerentlastung herauskommt, die nicht nur Ökonomen nachweisen können, sondern jeder Arbeitnehmer im Börsl spürt."

Solch ein Bündel an vermögensbezogenen Steuern hat die SPÖ unter Bundeskanzler Werner Faymann schon einmal gegen den Widerstand der ÖVP durchgesetzt, obwohl es im Regierungsprogramm nicht verankert war - bei der Steuerreform 2012. Damals wurden unter anderem eine Wertpapier-Kapitalertragssteuer (KESt), Immobilien-KESt eingeführt und daneben Begünstigungen für Konzerne und Stiftungen reduziert. Das hat die Gewerkschaft nicht vergessen.

Big Bang oderviel Kleinvieh?

Doch wer erinnert sich in der aktuellen Debatte sonst noch daran? Das liegt daran, dass solch ein Bündel an Reichensteuern weniger sichtbar und politisch schlechter zu verkaufen ist, als die eine konkrete Reichen-Steuer: Die Vermögenssteuer nach Schweizer Vorbild.

Sie brächte bei entsprechender Ausgestaltung außerdem auf einen Schlag eine Summe in Milliardenhöhe ein. Aber sie ist auch die umstrittenste aller Reichensteuern, denn europaweit war sie zuletzt ein Auslaufmodell. In der Steuerpolitik ging man dazu über, Vermögenszuwächse zu besteuern anstatt der Substanz.

Zweitens braucht es eine Verfassungsmehrheit, um sie einzuführen. Drittens ist die Erhebung der Berechnungsbasis, insbesondere bei Immobilien, nicht unkompliziert.

Die ÖVP fährt sämtliche Geschütze gegen das Leuchtturmprojekt der SPÖ auf und warnt vor der "Enteignung des Mittelstandes". Das SPÖ-Modell mit einer Steuerfreigrenze von einer Million Euro würde aber erst weit jenseits des Mittelstandes zu greifen beginnen, damit nur die wirklich Wohlhabenden getroffen werden. Außerdem sollen Betriebe ausgenommen werden.

Unter ÖVP-Ministern kursiert nun ein Rechtsgutachten eines namentlich verdeckt gehaltenen Rechtsanwalts und Steuerexperten, das die Legitimität einer hohen Freigrenze und der Ausnahmen für Betriebe in Zweifel zieht. Dieses Papier wird wohl auch in den geheimen Gesprächen der Steuerreformkommission Thema sein. "Eine solche Freigrenze darf nicht willkürlich gesetzt werden, da grundsätzlich alle Bürger gleich zu behandeln sind. Eine sachliche Ausnahme kann es nur etwa für besonders schutzwürdige oder unterstützungsbedürftige Bürger geben. Eine Vermögenssteuer darf jedoch nach verfassungsrechtlichen Gründen jedenfalls nicht als Instrument zur Umverteilung des Vermögens einiger Reicher auf eine breite Allgemeinheit verwendet werden." Dann heißt es weiter: "Werden also etwa nur ein Prozent der Bevölkerung besteuert, so ist eine Gleichbehandlung der Bürger wohl nicht anzunehmen, sondern eher eine verfassungsrechtlich unzulässige Enteignung einer kleinen Bevölkerungsgruppe."

In der Zusammenfassung heißt es dann, die Einführung einer Vermögenssteuer sei ein "legistisch komplexes" Unterfangen. "Eine Besteuerung nur einiger weniger reicher Bürger wird sich verfassungsrechtlich kaum durchsetzen lassen."

"Großer Spielraum"bei Steuern

Die "Wiener Zeitung" hat das Gutachten Verfassungsrechtler Heinz Mayer vorgelegt. Dieser kann die Schlüsse daraus nicht nachvollziehen. "Bei Steuern gibt es einen großen rechtspolitischen Spielraum. Man kann vielen Problemen ausweichen. Ich sehe keinen Grund, warum man Betriebe nicht ausnehmen kann. Auch der Freibetrag ist grundsätzlich kein Problem." Problematisch sei es nur, Vermögen, das gleichen Zwecken dient, ungleich zu behandeln, etwa private und betriebliche Altersvorsorge.

Auch die Schweiz kenntFreibeträge

"Wir kennen in einigen Schweizer Kantonen ein so genanntes ,steuerfreies Minimum‘: Die Steuerpflicht beginnt ab einer bestimmten Vermögenshöhe", sagt der Experte für Finanz- und Steuerpolitik von der Uni Luzern, Christoph Schaltegger. Allerdings sind die Freibeträge viel niedriger. In der Schweiz gibt es Freibeträge für Ehepartner von maximal 150.000 und für Kinder von maximal 340.000 Euro. Betriebliches Vermögen wird pauschal besteuert.

Die klassische Vermögenssteuer hatte die Gewerkschaft selbst in ihrem Leitantrag am letzten Bundeskongress 2013 gefordert, allerdings mit einem niedrigeren Freibetrag: "Wiedereinführung der Vermögenssteuer ab einem Reinvermögen von 700.000 Euro." Wie sehr sie an der Forderung festhält, hängt wohl auch davon ab, was ÖGB-Vize Schnedl in seiner Partei, der ÖVP, durchbringen kann. Denn am Steuerrad drehen den ganzen Sommer über auch ÖVP-Wirtschaftsbund und ÖVP-Chef Michael Spindelegger - und zwar hart Steuerbord gegen neue Steuern.