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Der Ärger führt von Wien nach Brüssel

Von Stephanie Schüller

Politik

Ein großes Stadtstraßenprojekt empört die Anrainer: Sie gehen nach Brüssel.


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Wien. Gleichzeitig mit neuen Stadtplanungsprojekten schießen in Wien parallel dazu auch meist Bürgerinitiativen aus dem Boden. Das passiert in der Krieau, beim Ausbau des Projektes Viertel Zwei, bei dem alte Stallungen und sanierungswürdige Tribünen neu genutzt werden sollen. Ein anderes Beispiel ist ein 73 Meter hoher Turm, der an der Grenze vom 3. zum 1. Bezirk gebaut werden soll, gleich neben dem traditionsreichen Areal rund um den Wiener Eislaufverein. Nun lehnen sich Anrainer und Betroffene gegen ein riesiges Straßenbauprojekt auf. Und treten damit morgen, Mittwoch sogar vor den Petitions-Ausschuss des EU-Parlaments in Brüssel.

Petition eingestellt

Bereits vor einem Jahr hat eine Gruppe engagierter Bürger eine Gemeinderatspetition mit der Forderung nach einem nachhaltigen Verkehrsmasterplan eingebracht. "Wir haben eine Petition mit 4200 Unterschriften bei der Stadt Wien eingereicht. Diese wurde eingestellt, ohne sich jemals damit zu befassen", erzählt Werner Schandl von der Initiative "Hirschstetten retten". Da er bei der Umsetzung des Projektes nicht nur österreichisches, sondern EU-Recht verletzt sieht, gehen er und seine Mitstreiter nun den Weg nach Brüssel. Morgen, Mittwoch, werden sie ihre Anliegen vor dem Petitionsausschuss des EU-Parlaments vorbringen.

Kritik äußern die Betroffenen an einer mangelnden Bürgerbeteiligung, die den EU-Richtlinien nicht entspreche. Außerdem kritisieren sie die Teilung des Projektes, wodurch eine andere Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchgeführt wird als beispielsweise bei einer Autobahn oder einer Schnellbahn. Gemeint ist damit die Teilung des Straßenprojektes in zwei Abschnitte: Von der A23/Anschlussstelle Hirschstetten soll eine mehrspurige Stadtstraße mit entsprechender Geschwindigkeitsbegrenzung bis zur Hausfeldstraße kurz vor dem Flugfeld Aspern führen. Danach mündet die Straße in die S1 Spange/Seestadt und schließlich in die S1 (siehe Grafik).

"Falsche" Autobahn

Je nach Wertigkeit der Straße gibt es bei einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterschiedliche Verfahren. Schandl kritisiert, dass die Straße aufgrund der vier Spuren Autobahn-Charakter hat, aber nicht wie eine solche behandelt wird: "Wenn man heute von einer Autobahn über eine gewisse Länge ausgeht, dann hat man ein vollwertiges Verfahren. Mit dieser Teilung und der Abspaltung der Stadtstraße ist es ein vereinfachtes Verfahren geworden. Das bedeutet, dass keine grenzüberschreitende strategische UVP notwendig ist, dass Bürgerinitiativen keine Parteistellung haben und Umweltorganisationen nur eingeschränkt den Verwaltungsgerichtshof anrufen können."

EU-rechtlich stützen sich Schandl und seine Mitstreiter auf Artikel 6 der Konvention von Aarhus, welcher die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Zulassung umweltrelevanter Großprojekte regelt. Ursprünglich sei das Projekt als eine Straße geplant gewesen. "Das Projekt wird in Scheibchen geschnitten und klein portioniert, damit es nur irgendwie genehmigungsfähig scheint", kritisiert Schandl. Er wünscht sich ein Umwelt-Gesamtkonzept und mehr Investition in den öffentlichen Verkehr.

"Andere UVP"

Matthias Holzmüller, Sprecher der MA 28 (Straßenbau und Straßenverwaltung) argumentiert, dass die Stadtstraße durchaus UVP-pflichtig ist. "Es gibt ein anderes Verfahren als bei einer Autobahn oder einer Schnellstraße, aber natürlich müssen wir nachweisen, dass die Stadtstraße umweltverträglich ist", so Holzmüller. Davor sei die Straße als Autobahn oder Bundesstraße geplant gewesen. Das dem Straßentyp entsprechende sogenannte konzentrierte Verfahren wird im Juni eingeleitet.

Laut Holzmüller gibt es drei Gründe, die das geplante Straßenprojekt rechtfertigen: Erstens fehlt eine Verbindung von der A23/Hirschstetten bis zur S1/Seestadt. Zudem sollen Stadtentwicklungsgebiete wie die Seestadt Aspern verkehrstechnisch erschlossen werden. "Ein großer Schritt ist mit der Verlängerung der U2 und mit den Straßenbahnlinien und Autobuslinien getan. Jetzt fehlt noch der motorisierte Individualverkehr", so Holzmüller. Außerdem sollen die historischen Ortskerne von Hirschstetten, Stadlau und Breitenlee vom Verkehr entlastet werden.

Laut Othmar Karas, einer der Vizepräsidenten des europäischen Parlaments, könne die EU keinen Einfluss auf die Verkehrsplanung und Verkehrsgestaltung innerhalb einer Gemeinde oder eines Landes nehmen, erklärte er. Viele der vorgebrachten Kritikpunkte könne er nicht über das EU-Parlament lösen. "Ich verstehe das Anliegen und die Sorge, die dahintersteht. Aber ich rate den Initiatoren, sich im Petitionsausschuss am Mittwoch auf die aus ihrer Sicht begangene Verletzung von EU-Recht zu konzentrieren. Also auf die Punkte Feinstaub, UVP und die Frage der Bürgerbeteiligung", so Karas. Die Frage, ob die Straße gebraucht wird, sei eine politische und verkehrsrechtliche Frage.