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Der arme Luca träumt von Mitleid

Von Edwin Baumgartner

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Anerkennung, nicht Mitleid wollen Menschen mit Behinderung. Doch um eine bittere Wahrheit kommt niemand herum: Mitleid ist die beste Triebfeder für Spender. Insoferne wären gegen eine entsprechende Plakataktion der Stiftung Kindertraum nur wenige Bedenken anzumelden. Wie da aber tatsächlich geworben wird - das sollte nicht sein.

Das Bild zeigt einen schlafenden Buben, im Hintergrund ist ein Rollstuhl zu sehen, der "Behinderung" signalisiert. Der arg nach Mitleid grapschende Text aber lautet: "Luca träumt davon, einen Tag lang seine Krankheit zu vergessen. Die Stiftung Kindertraum erfüllt schwer kranken und behinderten Kindern Herzenswünsche. Machen auch Sie Kinderträume wahr!" Das kommt heraus, wenn ein Mensch ohne Behinderung über einen Menschen mit Behinderung schreibt. Frei nach Gertrude Stein: Eine Behinderung ist eine Behinderung ist eine Behinderung; eine Krankheit ist eine Krankheit ist eine Krankheit. Eine Krankheit kann zu einer Behinderung führen, aber eine Behinderung ist keine Krankheit. Das Plakat verwischt diese Unterscheidung.

Die perfideste Behauptung jedoch ist, dass ein Mensch mit einer Behinderung diese vergisst, wenn nur genug Spendengelder fließen. Von "vergessen" kann indessen keine Rede sein. Die Behinderung (oder Krankheit) wird nicht "vergessen", sie wird ins tägliche Leben eingebaut. Dabei hilft eine finanzielle Unterstützung, und dafür kann man schon werben. Aber auch hier macht der Ton die Musik. Wie man besser hätte texten können? - Vielleicht so: "Luca träumt von einer kleinen Verbesserung. Sie können helfen."