Zum Hauptinhalt springen

Der Arzt und sein neuer Stundenplan

Von Ina Weber

Politik

Nach der Einführung des neuen Ärztearbeitszeitgesetzes vor einem Jahr sind die Wogen noch nicht geglättet.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Keine am Stück durchgearbeiteten Wochenenden mehr, keine im Spital schlafenden Nachtärzte, keine in der Früh übermüdeten Visiten - das ist das Ziel einer EU-Richtlinie, die - wenn möglich - eine wöchentliche Normalarbeitszeit von 40 Stunden für Ärzte vorsieht und im vergangenen Jahr in Österreich per Gesetz umgesetzt wurde.

Dass die Umstellung alles andere als leicht werden würde, war allen Beteiligten - Stadt Wien und Ärztevertreter - wohl von Anfang an klar. Der Krankenanstaltenverbund (KAV) setzte zahlreiche Begleitmaßnahmen für die Umstrukturierungen in den Spitälern um. So wurde etwa der Tätigkeitsbereich des Pflegepersonals erweitert, um die Ärzte zu entlasten. Vieles habe man erreicht, einiges funktioniere aber noch nicht, fasste Evelyn Kölldorfer-Leitgeb, Direktorin im KAV die ersten Ergebnisse am Montag zusammen.

Zehn Prozent der Nachtdienste in den Tag verschoben

Erreicht wurde in einigen Spitälern eine Umstrukturierung der Nachtdienste. Allen voran das Donauspital, das Kaiser-Franz-Josef-Spital und das Wilhelminenspital. Die ärztlichen Vertreter dieser Spitäler kamen zur gemeinsamen Pressekonferenz und schilderten aus der Praxis. Ein 25-Stunden-Dienst sei nicht mehr zeitgemäß, sagte Christian Sebesta von der 2. Medizinischen Abteilung im Donauspital. "Es ist sinnvoller, die Arbeit von der Nacht in den Tag zu verlegen." Im Wilhelminenspital wurde der Pflegedienst aufgewertet. Leistungen in der Nacht seien vom Pflegepersonal übernommen worden, sagte Wolfgang Hilbe, Leiter der 1. Medizinischen Abteilung. Davor seien zwei Ärzte "permanent angehängt" gewesen.

Im Kaiser-Franz-Josef-Spital sind bereits die Leistungen "von ein paar Nachtärzten" in den Tag verlegt worden, so Christoph Wenisch, Leiter der 4. Medizinischen Abteilung.

Doch gerade die Umstrukturierung der Nachtdienste ist es, die der Ärztekammer Wien am meisten aufstößt. Für den Wiener Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres sei mit den Einsparungen bei den Nachtdiensten ohne Zustimmung des Personals nun eine rote Grenze erreicht worden, kommentierte er die Konferenz des KAV gleich am Montag.

Ärztekammer sieht Patientenversorgung bedroht

Der Ärztekammer sei vergangene Woche mitgeteilt worden, dass mit 1. September 2016 rund 40 Nachtdienste ersatzlos gestrichen werden. Die Hälfte der restlichen Dienste würden in 12,5-Stunden-Dienste umgewandelt. Das sei ein entgegen der Vereinbarung von 2015 nicht abgestimmtes Vorgehen mit der Ärzteschaft", sagte Hermann Leitner, Vizepräsident und Obmann der Kurie angestellte Ärzte dazu. Szekeres: "Diese Maßnahmen sind unilateral seitens des KAV und ohne vorherige Evaluation oder Diskussion an den betroffenen Abteilungen beschlossen worden."

Auch die Notfalleinrichtungen würden nicht - wie ursprünglich besprochen - ausgebaut, sondern seien ebenfalls von diesen Reduktionen betroffen. Dieses Vorgehen bedrohe die Patientenversorgung akut, so die Ärztekammer Wien. Szekeres und Leitner stellten dem KAV die Rute ins Fenster: "Entweder kehrt man auf den Pfad der Kooperation zurück oder es gibt den nächsten Ärzteaufstand."

Der KAV sieht das anders. Es handle sich um keine Einsparungen, sondern um Verlagerungen. "Der Personalstand bleibt gleich", betonte Michael Binder, Leiter des Health Care Management im KAV. Die Nachtdienst-Räder würden reduziert. Insgesamt seien es rund 40 bis 50 Nachtdienste für die gesamte Umstellung und alle Häuser betreffend. Das seien zehn Prozent der Nachtdienste, die verschoben würden. "Es ist Zeit, an den Traditionsrädern zu schrauben", so Binder, um international vergleichbare Arbeitszeitmodelle zu erzielen.

In dieselbe Kerbe schlug Lothar Mayerhofer, Ärztlicher Direktor des Donauspitals: "Hier überwiegt das Interesse des Patienten an einem ausgeschlafenen Arzt". Bisher habe es meistens zwei Ärzte in der Nacht gegeben. Einer habe gearbeitet und der zweite geschlafen. "Den schlafenden Arzt gibt es dann nicht mehr", so Mayerhofer zur "Wiener Zeitung". Für den Patienten ändere sich nichts. Den Vorwurf, dass durch die dann öfteren Wechsel der Ärzte wichtige Informationen über den Patienten verloren gehen, kann Mayerhofer zwar verstehen, für ihn ist aber die Leistung der Ärzte wichtiger. Medizinische Fehler, sprich vom Arzt verursachte Fehler, seien sogar die dritthäufigste Todesursache bei Patienten, zitierte Wenisch eine US-Studie.

Der Fahrplan für die Umschichtungen in Tagesdienste soll ab September umgesetzt werden. Bis Ende des Jahres will der KAV mit der groben Umstrukturierung fertig sein. De facto sind im vergangenen Jahr die Nachtdienste von ursprünglich 311 auf inzwischen 285 (Stand Mitte Juni 2016) vermindert worden. Als Ziel würden aber 259 Dienste angestrebt, erklärte Binder.

Spezifische Lösungen, aber "alle müssen sich bewegen"

Mit der neuen Regelung soll die Arbeitszeit der Ärzte verkürzt werden - bei gleichem Gehalt. Die Ärzteschaft wird durch das Pflegepersonal entlastet und dieses wiederum durch die neu geschaffenen Stationssekretäre und Reinigungskräfte. Hilbe betonte: "Jede Abteilung braucht eine spezifische Lösung. Fest steht, wir befinden uns in einem Kulturwandel, alle müssen sich bewegen."