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Maria Theresia verabscheute ihn zutiefst, sie nannte Friedrich den Großen einen "elenden König", "rechten Charlatan" und ein "Monstrum", und auch seine Volk kam nicht gerade gut weg. Die habsburgische Herrscherin sprach von den Preußen als "Unmenschen" und "Barbaren". Natürlich kam dabei für die zwar bei uns als "aufgeklärte Monarchin" geltende Maria Theresia dazu, dass Friedrich in den Augen der frommen Katholikin ein Ketzer war, der außerdem dem gefährlichen Gedankengut der Aufklärung nahe stand.
Feinde und Freunde
Aus dem Generationenkonflikt Maria Theresias mit Joseph II. ist es durchaus verständlich, dass dieser hingegen ein Verehrer des Preußenkönigs war, wovon vor allem die Zusammenkunft Josephs mit Friedrich in Neiße / Nysa 1769 und der Gegenbesuch Friedrichs in Mährisch Neustadt/ Uničov 1770 zeugen. Sowohl Joseph als auch dem beteiligten Kanzler Wenzel Anton Kaunitz trug dieses "Abirren von der unbedingten Preußenfeindlichkeit" Kritik von Seiten Maria Theresias ein. Die Darstellung Friedrichs II. in der österreichischen Historiographie folgt jedoch weitgehend der Bewertung Maria Theresias und wird dem preußischen Monarchen nicht immer gerecht.
Dem steht die Beurteilung Friedrichs II., des Alten Fritz, der vor 300 Jahren am 24. Jänner 1712 geboren wurde, in der borussischen und der von ihr beeinflussten deutschen Geschichtsschreibung gegenüber. Dort war er: Friedrich der Große, ein Held, der in der deutschen Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts gefeiert, von den Nationalsozialisten als "Inbegriff deutscher Disziplin, Standhaftigkeit und Vaterlandstreue" gesehen wurde, und den auch heute noch Teile der deutschen Geschichtsschreibung - und in vielen Aspekten natürlich zurecht - sehr positiv beurteilen. Sogar in der DDR erlebte Friedrich ab den 1980 Jahren eine Art von "Renaissance", und wurde dort positiver gesehen als andere Monarchen.
Heldenverehrung
Für viele der modernen Biographen galt jener Satz, mit dem Leopold Ranke seinen Artikel in der Allgemeinen Deutschen Biographie schließt, über weite Strecken noch immer. "Ein Heldenleben, wie es im 18. Jahrhundert möglich war, von großen Gedanken durchzogen, voll von Waffenstreit, Anstrengungen und schicksalsvollem Wechsel der Ereignisse, unsterblich durch das, was es erreichte, die Erhebung des preußischen Staates zu einer Macht, unschätzbar durch das, was es begründete für die deutsche Nation und die Welt."
Im Rahmen dieser Geschichtsbetrachtung wurde Friedrich der Große als Höhepunkt des preußischen Aufstiegs gesehen, der allerdings schon lange davor begonnen hatte. Seit 1415 regierte die Familie Hohenzollern das Kurfürstentum Brandenburg, östlich davon entstand der Deutschordensstaat, der 1525 vom Hochmeister Albrecht von Brandenburg säkularisiert wurde. Am Beginn des 17. Jahrhunderts wurden von den brandenburgischen Herrschern auch Gebiete im Westen des Reiches (Cleve, Mark, Ravensburg, Ravenstein) erworben und schließlich konnte 1618 der außerhalb des Heiligen Römischen Reiches gelegene ehemalige preußische Ordensstaat mit Brandenburg vereinigt werden.
Wege zur Großmacht
Der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm (1640-1688) brach die Macht der Stände und baute einen gut organisierten Beamtenstaat mit einem funktionierenden System an Kontributionen, Grund- oder Kopfsteuern und indirekten Verbrauchssteuern (Akzisen) auf. 1701 erfolgte eine Rangerhöhung, Kurfürst Friedrich III. (1688-1713) wurde 1701 als Friedrich I. König in Preußen. Unter dem Vater Friedrichs II., dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. (1713-1740), wurden die Finanzen dank eines eisernen Sparkurses saniert, der Merkantilismus und die Neubesiedlung weiter Landstriche kamen der Wirtschaftskraft Preußens zugute. Damit konnte Preußen die Führungsrolle in Norddeutschland gegenüber den Konkurrenten Hannover und Sachsen übernehmen.
Die in Preußen durchgeführten Reformen des Schulwesens waren später als Vorbild für die Habsburgermonarchie richtungsweisend. Der "Soldatenkönig" verdoppelte die Armee von 40.000 auf 80.000 Mann (auf 2,5 Millionen Einwohner), der Drill der Soldaten und die Etablierung der adeligen Offiziere als erster Stand im Staat, machten Preußen zu einer führenden Militärmacht und legten auch den Grundstein für ein spezifisches "Preußenbild".
Nach 1733 führte man - auch wieder richtungsweisend für spätere Reformen in der Donaumonarchie - das Kantonalsystem für die Heeresaufbringung ein, wodurch jeder Bezirk eine festgelegte Anzahl von Rekruten stellen musste. Die steigende Bedeutung des Heeres zeigt sich daran, dass im Jahr 1713 die Armee 2,3 Prozent der Bevölkerung umfasste und die Militärausgaben 43,9 Prozent der Staatsausgaben ausmachten, 1740 schon 3,8 Prozent der Bevölkerung unter Waffen standen und 75,5 Prozent der Staatsausgaben für die Armee aufgingen. 1732 wurden auch 15.000 bis 20.000 protestantische Glaubensflüchtlinge aus Salzburg in Preußen aufgenommen, mit deren Hilfe man die Wirtschaftskraft des Landes weiter verstärken konnte. Obwohl damit der Aufstieg Preußens zu einer starken Macht im Reiche weitgehend vollzogen war, schien dieser Machtzuwachs für die Habsburger noch keineswegs gefährlich, denn die preußische Politik war - bei aller religiösen Verschiedenheit - weitgehend prohabsburgisch. Erst mit der Eroberung Schlesiens durch Preußen am Beginn des Österreichischen Erbfolgekrieges 1740 trat ein Faktor der europäischen Politik ins Leben, der das politische Verhalten der Habsburgermonarchie des 18. als auch des 19. Jahrhunderts entscheidend mitbestimmen sollte. Mit der Etablierung Preußens als einer der europäischen Großmächte entstand ein deutsches Gegengewicht zur habsburgischen Führungsposition im Reich.
Angriff auf Schlesien
Friedrich II., eben erst an die Regierung gekommen, nützte die Schwäche der habsburgischen Dynastie, die am 20. Oktober 1740 mit dem Tod Kaiser Karls VI. im Mannesstamme ausstarb, für einen spektakulären Streich. Zurückgreifend auf alte Verträge forderte er von Maria Theresia große Teile des wirtschaftlich starken, vorwiegend deutschsprachigen und protestantischen Schlesien. Der Zeitpunkt war auch in Anbetracht der europäischen politischen Gesamtwetterlage günstig. Russland war in Kämpfe um die Thronfolge verwickelt, England, Frankreich und Spanien in Übersee kriegerisch gebunden, und die Gewitterwolken des österreichischen Erbfolgekrieges zogen sich am Horizont zusammen.
Der Angriff auf Schlesien kam dennoch überraschend. Der Raub Schlesiens gehört - wie der englische Historiker George P. Gooch ausführte - "zusammen mit der Teilung Polens zu den sensationellen Verbrechen der Geschichte der Neuzeit". Das scheint angesichts der Gräueltaten des 20. Jahrhunderts zwar übertrieben, doch steht sicherlich fest, dass damit ein nicht mehr zu heilender Bruch zwischen Wien und Berlin entstanden war, der sich politisch und emotional bis ins 20. und 21. Jahrhundert erhalten hat. Maria Theresia konnte Friedrich dem Großen diese Tat niemals verzeihen und hat ihn in der Folge gehasst und verabscheut. Doch sie weinte nicht nur um das reiche Land Schlesien, sondern vor allem wegen der symbolischen Bedeutung des Verlustes. Von dem durch die Pragmatische Sanktion (1713) mühsam zusammengehaltenen Totum der Monarchie, die Karl VI. für unteilbar und untrennbar erklärt hatte, war ein Glied amputiert worden - es ging nicht so sehr um das Glied selbst, sondern um die Tatsache der Amputation.
Wer war nun dieser kühne, junge Herrscher, der diesen Krieg begann? Friedrich, der älteste überlebende Sohn von insgesamt 14 Kindern des Königs Friedrich Wilhelm I., litt unter seinem überaus strengen, autoritären Vater, der keine Gelegenheit ausließ, seinen Sohn seelisch zu demütigen und körperlich zu bestrafen. Der Jüngling begeisterte sich für Literatur und Musik - Flötenunterricht musste er bei Johann Joachim Quantz heimlich nehmen - (Siehe dazu Artikel "Musikalische Sonderwege") und konnte sich mit dem militärischen Wesen seines Vaters sowie dem rauen Umgangston in dessen "Tabakskollegium" nicht anfreunden. 1729 entwarf er gemeinsam mit seinem acht Jahre älteren Freund Leutnant Hans Hermann von Katte einen Fluchtplan nach Frankreich, der allerdings entdeckt wurde. Das Todesurteil gegen Katte, das sein Vater energisch forderte, wurde vor den Augen Friedrichs in Küstrin vollstreckt, er selbst entkam der Hinrichtung nur, nachdem sowohl Kaiser Karl VI. als auch Prinz Eugen für ihn interveniert hatten. Nach seiner Heirat mit Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern wurde er Regimentschef in Ruppin und damit gewissermaßen rehabilitiert.
Seine Interessen waren vor allem schöngeistiger Art, schon 1738 komponierte er seine erste Sinfonie, traf Johann Sebastian Bach und interessierte sich für Architektur, zu der er eigene Entwürfe beisteuerte. 1739 schrieb er den "Antimachiavell", eine Auseinandersetzung mit diesem Klassiker der Staatslehre aus der Perspektive der Aufklärung, der er eng verbunden war. Friedrich korrespondierte mit Voltaire, traf ihn auch mehrfach, allerdings kam es 1753 zu einem Zerwürfnis der beiden. Auch später setzte sich der König mit Staatstheorie auseinander und legte seine Gedanken in seinem "Politischen Testament" (1752) und der Schrift "Regierungsformen und Herrscherpflichten" (1777) nieder.
Erster Diener im Staat
Am 31. Mai 1740 wurde Friedrich II. nach dem Tod seines Vaters König in Preußen (erst nach der polnischen Teilung ab 1772 nannte er sich König von Preußen). Seine Herrschaft im Inneren stand voll im Umfeld des aufgeklärten Gedankengutes. Friedrich, der auch Freimaurer war, sah sich als "Erster Diener des Staates", er schuf schon am Beginn seiner Herrschaft zunächst inoffiziell die Folter ab und erfüllte damit eine der zentralen Forderungen der Aufklärung (das Werk von Cesare Beccharia "Dei delitti e delle pene", Von den Verbrechen und von den Strafen machte dieses Thema zu einem Hauptdiskurs). Der preußische König gewährte den christlichen Konfessionen Toleranz (mit der sprichwörtlich gewordenen Formulierung "Jeder soll nach seiner Façon selig werden"), war allerdings weniger liberal den Juden gegenüber, die er im "Revidierten General-Privileg" 1750 in sechs Klassen mit unterschiedlichem Niederlassungsrecht gliederte. Die Aufhebung der Zensur für den nichtpolitischen Teil der Zeitungen, der Neubau vieler Schulen oder die allgemeine Abschaffung oder Milderung der Leibeigenschaft waren Reformen im Geiste der Aufklärung.
Außenpolitisch positionierte ihn sicherlich der 16. Dezember 1740, an dem er in Schlesien einmarschierte. Ein guter Teil seiner Regierungszeit ist den militärischen Auseinandersetzungen mit der Habsburgermonarchie, an denen er unter großen Entbehrungen persönlich teilnahm, gewidmet. Nach dem Ersten Schlesischen Krieg (1740-1742) erfolgte ein weiteres Eingreifen in den durch seinen Überfall auf Schlesien ausgelösten Österreichischen Erbfolgekrieg im Zweiten Schlesischen Krieg (1744-1745). Zwar gab es auf beiden Seiten gewonnene und verlorene Schlachten - die Kinder des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts mussten in den Schulen die jeweiligen Siege "ihres" Landes lernen - doch letztlich setzte der Alte Fritz sich durch, Schlesien blieb preußisch.
Daran änderte auch der Siebenjährige Krieg (1756-1763) - in einer neuen Bündniskonstellation, in der Preußen mit England und die Habsburgermonarchie mit Frankreich verbündet waren - nichts. Fast wäre es am Ende dieses Krieges zu einer Katastrophe für Friedrichs Politik gekommen. Nach der vernichtenden Niederlage Preußens in der Schlacht von Kunersdorf rettete nur der unerwartete Tod der russischen Zarin Elisabeth die Lage, denn ihr preußenfreundlicher Nachfolger Peter III. kündigte das Bündnis mit der Habsburgermonarchie und schloss einen Separatfrieden mit Friedrich. Man sprach vom Mirakel des Hauses Brandenburg.
Die Kriege hatten wirtschaftlich und gesellschaftlich ihren Preis gefordert, doch begann unmittelbar nach dem Frieden von Hubertusburg 1763 der innere Wiederaufbau Preußens, das sogenannte Retablissement. Soldaten und Armeepferde wurden in der Landwirtschaft eingesetzt, die Trockenlegung von Sümpfen und der Straßen- und Kanalbau verstärkten sich, die Inflation wurde beseitigt und die Protoindustrialisierung ausgebaut. Besonders der Kartoffelanbau lag Friedrich - ähnlich wie Joseph II. - sehr am Herzen und er dekretierte das Auspflanzen dieser Frucht.
In der Ersten Polnischen Teilung 1772 erweiterte der König von Preußen erneut das Staatsgebiet, und im Bayerischen Erbfolgekrieg (1778-1779) wäre es fast nochmals zu einer großen Auseinandersetzung gekommen, die Maria Theresia allerdings durch einen schnellen Friedensschluss beendete.
Strenges Regiment
Sein Herrschaftssystem war bestimmt von der hohen Rolle des Militärs, das in Preußen Tradition war, vom absoluten Gehorsam der Untertanen und der besonderen Rolle der Beamten, die Friedrich auf vielen Inspektionsreisen kontrollierte. Sein Regierungsstil war bürokratisch, vieles erledigte er persönlich und versah die Schriftstücke, die über seinen Schreibtisch wanderten, mit entsprechenden Bemerkungen.
So starb er am 17. August 1786 im Schloss Sanssouci in seinem Sessel als gefürchteter Herrscher und als vereinsamter Mensch. Sein letzter Wunsch, dort im Park neben seinen geliebten Windspielen beigesetzt zu werden, wurde nicht erfüllt. Man begrub ihn nicht bei seinen Hunden, sondern in der Potsdamer Garnisonkirche, und erst nach langen Umwegen kam er vor 20 Jahren an seinem ersehnten Begräbnisort zur Ruhe.
Löst man sich von der feindseligen österreichischen und der oft apologetischen borussischen Sicht Friedrichs, so bleiben sicherlich zwei wichtige Elemente der Wirksamkeit. Einerseits hat er durch seine aufgeklärten Ideen Preußen in den inneren Strukturen verändert und modernisiert, andererseits ist es ihm gelungen, Preußen zu einer Großmacht in Europa werden zu lassen. Preußen war damit nicht nur der zweite mächtige Staat im Heiligen Römischen Reich, sondern stieg auch im gesamteuropäischen Kontext neben England, Frankreich, der Habsburgermonarchie und Russland zum gleichberechtigten Mitglied der Pentarchie auf, die Europas Politik des 18. und langen 19. Jahrhunderts dominierte.
Karl Vocelka, a.o. Univ. Prof. Vorstand des Instituts für Geschichte der Universität Wien. Forschungsgebiete: Kulturgeschichte, Geschichte der Habsburgermonarchie in der Neuzeit, Frömmigkeitsgeschichte.