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Für den usbekischen Präsidenten Islam Karimow steht fest, wer hinter den Unruhen in seinem Land steckt: Radikale Islamisten hätten den Aufstand in Andischan organisiert, sagte er am Wochenende. Es seien die gleichen Verdächtigen aus dem Umfeld der verbotenen Partei Hizb ut-Tahrir, die bereits den Umsturz im benachbarten Kirgisien organisiert hätten.
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Für Politologen ist die Sache weniger klar. Die große Armut in Andischan und dem umliegenden Fergana-Tal gilt als eines der Hauptmotive für die Unruhen, die ständigen Repressionen durch Karimows autoritäre Führung als ein weiteres. Doch auch islamistische Tendenzen kommen ganz offensichtlich zum Tragen - wodurch sich die Revolte im Fergana-Tal auf die gesamte Region destabilisierend auswirken könnte.
"Karimows Erklärungen zur Gefahr des Islamismus sind keine reine Paranoia", sagt der unabhängige Journalist Sergej Ejkow, der in der usbekischen Hauptstadt Taschkent arbeitet. "Diese Bedrohung gibt es, aber die Machthaber und ihr Verhalten treiben die Bevölkerung diesen Organisationen auch zu. Wer keine Arbeit hat und keine Gerechtigkeit findet, für den wird die Idee eines ,islamistischen Kommunismus, wie sie die Hizb ut-Tahrir propagiert, auf einmal überaus attraktiv."
Gerade im Fergana-Tal, in dem Andischan liegt, sind die wirtschaftlichen Bedingungen harsch: Jeder dritte Erwachsene ist arbeitslos, der Monatslohn beträgt im Durchschnitt 25 Dollar. Der Islamismus genießt in der überbevölkerten Region großen Rückhalt. Die verbotene Hizb ut-Tahrir hat hier ihren Ursprung, ebenso wie die Islamische Bewegung Usbekistans (IMU), die in den 90er Jahren mehrere Anschläge verübt haben soll. In der kirgisischen Stadt Osch, die ebenfalls im Fergana-Tal liegt, hatte im März die Revolution ihren Ausgang genommen, die Kirgisiens Präsidenten Askar Akajew zu Fall brachte.
Auch deshalb war Russland sehr rasch zur Stelle, um den Aufstand zu verurteilen. In einem Telefongespräch versicherten sich Karimow und der russische Präsident Wladimir Putin am Samstag gegenseitig ihre "Beunruhigung" über die "Destabilisierungsversuche in Zentralasisen".
Immerhin hat Moskau in den vergangenen eineinhalb Jahren durch die Bürgerrevolutionen in Georgien, der Ukraine und Kirgisien bereits drei Verbündete aus Sowjetzeiten verloren.
Auch Karimow ist ein solcher Veteran der Sowjetära. Seit der Unabhängigkeit Usbekistans 1991 leitet er die Ex-Sowjetrepublik mit harter Hand. Dabei führt der 67-Jährige, der nicht nur der russischen Regierung, sondern auch den USA als enger Verbündeter gilt, gerne die Gefahr des Islamismus ins Feld, um jegliche Opposition in seinem Land zu unterdrücken.
In den ständigen Repressionen sehen Politologen einen weiteren Grund für den Aufstand in Andischan. Allerdings dürfe niemand erwarten, dass aus einer Region wie dem Fergana-Tal eine demokratische Revolution wie in Georgien oder der Ukraine hervorgehen werde. AFP