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US-Präsident John F. Kennedy und der Urwalddoktor Albert Schweitzer zählten zu den Idolen meiner Kindheit. Um beide ist es eher still geworden; Kennedy taucht nur wegen angeblich neu entdeckter Frauengeschichten hin und wieder in den Klatschspalten auf, und der orgelspielende Humanist aus der Schweiz ist längst von der allgegenwärtigen Mutter Teresa als personifizierte Nächstenliebe abgelöst worden.
In 3sat am Donnerstag um 23 Uhr lernte ich in der Dokumentation "Bach in der Pagode" einen in Kambodscha tätigen Schweizer Kinderarzt kennen, der mich in vielem an seinen einst so berühmten Landsmann erinnerte: Dr. Beat Richner, der in Phnom-Penh drei Kinderspitäler leitet, die er größtenteils durch Spendengelder finanziert hat. Zum Spendenakquirieren verwandelt er sich in den Musikclown Beato Cello. "Ich bin der Doktor Konto-Nummer soundso", trällert er dem Publikum vor, "und ich brauche euer Geld." Und dazu zupft und streicht er sein Instrument und erzählt von seiner Arbeit im Krankenhaus, streut immer wieder aber auch poetische Geschichten und Parabeln ein. Manchmal spielt er auch Bachs Solo-Cello-Sonaten - ausgerechnet in einer buddhistischen Pagode. Die Musik hilft ihm nicht nur beim Spendensammeln, sondern aus ihr schöpft er seine Kraft. Sie verhindert es, dass er angesichts der Ungerechtigkeit und des Leids, mit dem er tagtäglich konfrontiert ist, in Verbitterung verfällt.
Neben der Geschichte von der Note, die sich zwischen den Notenzeilen eingezwängt fühlt, sich verflüssigt, als Tröpfchen zu Boden fällt und schließlich bis ins Meer gelangt, gefiel mir besonders das Lied vom krächzenden Raben, den man nicht im Chor mitsingen lassen wollte. Auf sein Drängen hin wurde ein internationaler Kongress der Vögel einberufen. Und siehe da: Kaum waren die Sanktionen aufgehoben, konnte der Rabe sogar recht schön singen . . .