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Der Bargeld-Blues

Von Thomas Seifert

Leitartikel
Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur der "Wiener Zeitung".
© WZ

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Bargeld ist den Österreicherinnen und Österreichern lieb und teuer. Vor allem teuer: Denn 8773 Bankomaten sind in Österreich in Betrieb, die Kosten pro Gerät belaufen sich auf rund 7500 Euro pro Jahr.

Laut einem Forschungspapier der Europäischen Zentralbank gehört Österreich zu den absoluten Spitzenreitern bei der Verwendung von Bargeld. 85 Prozent aller Transaktionen werden in Cash abgewickelt, nur in Italien (86 Prozent), Spanien (87 Prozent), Griechenland (88 Prozent) und Malta (92 Prozent) ist der Anteil noch höher.

Im Wirtschaftsleben ist Bargeld aber eher hinderlich: Transaktionen dauern länger, denn wer hat schon die 7 Euro 93 Cent für den Lebensmitteleinkauf fein säuberlich abgezählt zur Hand? Zudem sind die Transaktionskosten höher (Bargeld muss gezählt und unter hohen Sicherheitsvorkehrungen abgeholt beziehungsweise angeliefert werden), für kleinere Gemeinden ist der Betrieb von Bankomaten schlicht unrentabel geworden. Für solche Gemeinden ist das Verschwinden des Bankomaten nach dem Zusperren von Post und Bankfiliale aber das nächste Signal für den Abstieg.

Aber muss es immer der Bankomat sein?

Eine Alternative ist die Bargeldabhebung an der Kasse von Supermärkten, wie das bereits in 3000 Geschäften in Österreich möglich ist. Eine weitere Alternative: Kartenlesegeräte, die seit einiger Zeit auch für Kleinstunternehmen erschwinglich sind.

Es mag schon sein: Das Finanzamt würde sich über einen Trend hin zur Kartenzahlung freuen. Derart abgewickelte Zahlungen sind transparent und nachvollziehbar, Steuerbetrug wird auf diese Weise ein Riegel vorgeschoben.

Insgesamt ist bargeldloser Zahlungsverkehr effizienter und schneller.

Freilich gibt es einen weiteren - hitzig debattierten - zweiten Aspekt in der Bargeld-Debatte. Bei diesem Diskussionsstrang geht es um Freiheit und das Recht auf Anonymität im Wirtschaftsleben. FPÖ und ÖVP wollen ein "Recht auf Bargeld" sogar in der Verfassung verankern. Fragt sich nun, wo die Freiheitsschützer, die sich in der Bargeld-Frage um den "gläsernen Menschen" sorgen, bei der Diskussion um Flugdatenerfassung oder Vorratsdatenspeicherung waren. Niemand denkt heute daran, das Bargeld abzuschaffen. Denn das wäre in der Praxis auch völlig unrealistisch: Denn solange es den Wunsch nach Bargeld- (oder Bargeld-ähnlichen) Transaktionen gibt, werden die Bürgerinnen und Bürger diese auch in Cash tätigen. Sollte ein Staat Bargeld tatsächlich verbieten, dann würden dort wohl recht bald nach dem Verbot Zigaretten, Einkaufsgutscheine, Golddukaten oder Bitcoins die Rolle von Bargeld übernehmen. Münzen und Geldscheine wird es also noch eine Weile geben. Genauso wie das Warten an der Kasse auf das Wechselgeld.