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Der Bauer soll kein Bittsteller sein

Von Veronika Gasser

Wirtschaft

Eine flächendeckende Ökologisierung der Landwirtschaft ist der einzige Ausweg aus der Krise, lautet die Devise der Grünen Bauern. Um diese umzusetzen müssten die landwirtschaftlichen Fördermodelle vom "Kopf auf die Füße" gestellt werden. Die Grüne Kritik entzündet sich an der mangelnden Verteilungsgerechtigkeit der momentanen Föderungen, die noch dazu die jetzige Entwicklung geschaffen und Konzentrationsprozesse begünstigt hätte. Das Vier-Säulen-Landwirtschaftsmodell der Grünen Bauern könnte als Diskussionsgrundlage langfristiger Landwirtschaftsreformen herangezogen werden, hoffen dessen Befürworter.


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"Nach der EU-Agrarministerratstagung von 1998 in St. Wolfgang habe ich beschlossen ein alternatives Fördermodell zu entwickeln", erzählt Karl Guttenbrunner, Obmann der Grünen Bauern Österreichs. Dass der beschrittene Weg in der Agrarpolitik in die falsche Richtung weist, war dem engagierten Biobauern schon seit Jahren klar. Denn die Förderung von naturgemäß produzierten Lebensmitteln rentiere sich derzeit kaum und sei daher nur für äußerst engagierte Kämpfer attraktiv. "Von der Förderung her ist jeder konventionell produzierende Betrieb besser gestellt als Biobauern", kritisiert Guttenbrunner. Die Abgeltungen reichten kaum, da die Preise für Zukäufe beinahe doppelt so hoch wären. "Dazu kommen dann noch die extremen Kontrollen." Dies wäre auch ein Grund, warum im Vorjahr 1.100 Biobauern das Handtuch geworfen hätten.

Die erste Säule des Modells setzt auf Gesamtökologisierung der Landwirtschaft. Tierprämien werden generell abgeschafft, die Flächenförderungen werden stark modifiziert. "Acker und Grünland müssen gleich bewertet werden", betont Guttenbrunner, "damit die Bauern wieder Sachwalter der eigenen Betriebe sind". Derzeit werde die Fruchtfolge via Förderungen von Brüssel aus gesteuert. Und gerade nach Österreichs EU-Beitritt hätten viele Bauern auf Ackerbau umgestellt, weil dieser höhere Prämien brachte. "Die Grünflächen brauchen wir dringend zum Schutz des Trinkwassers."

Entscheidend wäre, betont der Verbandsobmann, dass bei Einführung der grünen Säulenvariante "mit einem Schlag 3.600 Arbeitsplätze geschaffen werden könnten". Denn die zweite Säule des Modells koppelt die Förderungsobergrenzen streng an die Arbeitskräfte pro Betrieb. Die jährliche Abwanderung aus dem ländlichen Raum könnte endlich gestoppt werden, mit dem Anreizsystem wäre sogar der gegenteilige Effekt zu erzielen.

Mehrkosten würden nicht anfallen, denn es käme bloß zu einer Umschichtung aus den verfügbaren Fördertöpfen. Auch Kleinstbetrieben von vier ha wäre das Überleben gesichert, denn sie hätten eine Ausgleichszahlung zum Existenzminimum von 115.000 Schilling pro Jahr zu erwarten. Langfristig sollten sich aber die Bauern gänzlich von den staatlichen Zuwendungen emanzipieren können.

Das Hauptziel der Grünen Bauern lautet: Wird das Modell in Europa umgesetzt, dann wäre die EU wieder Weltmarktführer, da ökologische Produkte reißenden Absatz finden. Auch müsse die Erweiterung der Union unter öko-sozialen Gesichtspunkten erfolgen, so will es die dritte Säule. Die Bevölkerung im Osten könne nur dann im ländlichen Raum gehalten werden, wenn sie dort auch ihr Auslangen findet.

"Nur wenn man in Richtung unseres Modells geht, ist die Erweiterung ökologisch sinnvoll", betont Wolfgang Pirklhuber, Agrarsprecher der Grünen. Mensch und Umwelt müssten wieder in den Mittelpunkt der Landwirtschaftspolitik stehen und nicht der Weltmarkt. Der Realist sieht sich als Verfechter eines einfachen Förderkonzeptes: "Für den einzelnen Bauern sind die Programme überhaupt nicht mehr nachvollziehbar." Deshalb lautet die vierte Säule: Entbürokratisierung und ein transparentes Fördersystem.

"Mittlerweile sind die Bauern zu Schreibtischtätern geworden", kritisiert Pirklhuber, "die ohne versierten Förderberater gar nicht auskommen können." Die Landwirte seien von Spezialisten abhängig und obendrein zu Bittstellern degradiert. "Denn die Haupteinnahmequelle sind Transferzahlungen, auf die es oftmals keinen Rechtsanspruch gibt." Pirklhuber verweist auf die Gelder des Umweltprogrammes ÖPUL. Auch sei es skandalös, dass Großbetriebe viel stärker gefördert würden als kleine: "Damit wurde der Konzentrationsprozess beflügelt." Die größten Nutznießer im Agrarbereich seien die Körndlbauern im Osten. Auf der anderen Seite hätte die verarbeitende Industrie und der Handel dann von den niedrigen Erzeugerpreisen profitiert.

Diese Förderschiene sei aber jenseits der betriebs- und volkswirtschaftlichen Rentabilität. Die enormen ökologischen Folgekosten, die durch die industrialisierte Landwirtschaft entstanden, seien noch gar nicht im Detail abschätzbar.

Noch ist das Vier-Säulenmodell ein Rohling, der behandelt werden muss, weiß Pirklhuber, doch die Grünen wollen dazu den Dialog mit allen verantwortlichen Gruppen suchen. Und dieser Dialog sollte auch mit Tierschutzorganisationen und Konsumenten geführt werden. Es soll nur noch der eigentliche Bedarf abgedeckt werden, lautet die grüne Vision. "Ein wesentlicher Vorteil wäre, dass keine Überschüsse mehr produziert würden, die dann mit hohen Stützungen auf den Markt geschleudert werden müssen."