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Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter möchte die Bundesbehörden dezentralisieren und sieht dafür Bayern als Vorbild.
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München. Der bayrische Finanzminister Markus Söder hat eine wechselvolle Beziehung zu Österreich. Im Zuge der Abwicklung der Kärntner Problembank Hypo Alpe Adria rang er mit dem Finanzministerium um Milliarden. Ein Generalvergleich beendete den Streit vor knapp zwei Jahren. Während der Woche ist Söder bei Finanzminister Hans-Jörg Schelling zu Gast gewesen. Am Freitag absolvierte er in seiner Funktion als bayrischer Heimatminister in München mit Österreichs Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter einen Wohlfühltermin. Denn geht es nach Rupprechter, soll sich Österreich an Bayern, an Söders Ministerium, ein Beispiel nehmen.
Der Landwirtschaftsminister möchte im Rahmen des Masterplans für den ländlichen Raum die Dezentralisierung von Bundesstellen vorantreiben. Bayern ist da schon einen Schritt weiter. 26 Behörden und staatliche Einrichtungen mit mehr als 170 Beschäftigten und 170 Studierenden haben in den ersten beiden Jahren des "Heimatstrategie" genannten Programms ihren Dienstbetrieb aufgenommen. In den nächsten fünf bis zehn Jahren sollen insgesamt über 50 Behörden und staatliche Einrichtungen in den ländlichen Raum verlagert werden.
Entschleunigung der Städte
"Wir haben überhitzte Großstädte und ländliche Räume, die von Abwanderung betroffen sind und wollen Entschleunigung in den Ballungszentren und Beschleunigung im ländlichen Raum", erklärte Söder vor Journalisten. Auch Rupprechter hat ambitionierte Pläne: "Meine Zielsetzung ist es, in den nächsten zehn Jahren zehn Prozent der Bundesbehörden in die Regionen zu verlegen."
Aktuell haben 64 von 68 Bundesbehörden ihren Sitz in Wien, das sind 95 Prozent. Die Initiative soll einen Beitrag dazu leisten, die Abwanderung aus dem ländlichen Raum zu stoppen. "Es kann nicht sein, dass jeder, der Karriere machen will, in den Zentralraum ziehen muss", meinte Rupprechter und betonte, dass es nicht um eine Attacke auf Wien ginge. "Wir wollen nicht Wien schwächen, sondern die Bundeshauptstadt entlasten. In Wien haben wir einen Zuzug, der nicht mehr als nachhaltig zu bezeichnen ist", sagte Rupprechter.
Laut Erwerbsstatistik der Statistik Austria verlieren sechs Bundesländer außer Wien, Niederösterreich und Burgenland - die letzteren beiden profitieren ebenfalls vom Zuzug in die Bundeshauptstadt - jährlich über 5000 erwerbstätige Personen an den Zentralraum. Rechnet man diese Zahlen auf den Projektzeitraum von zehn Jahren hoch, bedeutet das eine Abwanderung von 50.000 Arbeitskräften aus dem ländlichen Raum. Die österreichische Universitätsstruktur mit mehr als 50 Prozent der Studienplätze in Wien trägt das ihre dazu bei. "Dieser Entwicklung müssen und wollen wir entgegenwirken", sagte Rupprechter.
Was würde nun eine Verlagerung von zehn Prozent der Bundesbehörden in Arbeitsplätzen bedeuten? Laut der vom Landwirtschaftsministerium in Auftrag gegebenen Studie "Dezentralisierungspotenziale in der Bundesverwaltung" sind im klassischen Verwaltungsdienst nach Abzug jener Mitarbeiter, die jetzt schon in dezentralisierten Dienststellen arbeiten, rund 35.000 Personen bei Bundesbehörden beschäftigt. Zehn Prozent davon wären 3500 Arbeitsplätze. "Die Empfehlung dürfte somit ein realistischer Rahmen für eine ambitionierte Politik sein", heißt es in der Studie von Peter Bußjäger, Chef des Föderalismus-Instituts, und Kurt Promberger, Chef des Instituts für Verwaltungsmanagement.
Das Landwirtschaftsministerium hat mit der Umsetzung der Dezentralisierungsstrategie schon im vergangenen Jahr begonnen. Das Bundesamt für Wasserwirtschaft ist seither in Mondsee in Oberösterreich angesiedelt. Dazu gibt es weitere Pläne. Die Verlegung der Gebietsbauleitungen Niederösterreich/Wien/Burgenland der Wildbach- und Lawinenverbauung von Wien nach Niederösterreich ist in Vorbereitung. Die Bundesanstalt für Bergbauernfragen soll von Wien nach Tirol verlegt werden. Ebenfalls in seinem Heimatbundesland Tirol möchte Rupprechter eine Kompetenzregion rund um die landwirtschaftliche Lehranstalt Rotholz schaffen. Mit einem Forschungs- und Entwicklungszentrum für Ernährung, Lebensmittel und Biotechnologie. Neben der Fachschule und der Bundesanstalt für alpenländische Milchwirtschaft sollen sich auch Start-ups und Unternehmen aus diesem Bereich im Kompetenzzentrum am Eingang ins Zillertal ansiedeln.
Söder: Billiger wird es nicht
Die Personalstruktur im Bundesdienst kommt Rupprechter für sein Vorhaben entgegen. Bis ins Jahr 2024 werden 55.000 öffentliche Bedienstete in Pension gehen. Das sind 42 Prozent des gesamten Personals in der Bundesverwaltung - inklusive immer schon dezentral eingesetzter Bediensteter wie Lehrer, Polizisten und Heeresangehöriger. "Das ermöglicht es, neue Mitarbeiter verstärkt in den Regionen aufzunehmen", sagte der Minister.
Rupprechter möchte dennoch behutsam vorgehen. "Dezentralisierung findet nicht am Papier statt. Es geht um Menschen und deren Lebensumstände. Söder hatte für die Umsetzungsphase einen Tipp für Rupprechter parat: "Fangen Sie einfach mal an. Wenn Sie schrittweise anfangen, vielleicht Teile oder Abteilungen von Behörden verlagern, kriegen Sie eine hohe Akzeptanz."
Ein Kostensenkungsprogramm dürfe man sich von der Dezentralisierung aber nicht erwarten, sagte Söder: "Billiger wird so etwas nicht. Wenn man alles so lässt, wie es ist, ist es günstiger. Doch das Ziel ist, den ländlichen Raum zu stärken." Die bestehenden Mitarbeiter sind vielleicht der wichtigste Faktor einer erfolgreichen Umsetzung, sie sind aber bei Weitem nicht der einzige.
Die Studienautoren haben einen Acht-Punkte-Plan für eine erfolgreiche Umsetzung der Dezentralisierungsstrategie aufgestellt. Dabei könnte schon der erste Punkt eine harte Nuss werden, die "Herstellung eines politischen Konsenses". Rupprechter ist optimistisch: "Mit meinem Kollegen (Verkehrsminister Jörg, Anm.) Leichtfried bin ich hier engstens und sehr gut abgestimmt", sagte er. Der Großteil des Zehn-Jahres-Horizonts der Initiative liegt freilich in den Händen der kommenden Bundesregierung.