Stillgelegte Gruben sind wieder rentabel, neue Projekte in Planung.
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Brüssel.Die gute Nachricht zuerst: Vom geologischen Standpunkt aus verfügt die Welt über so viele mineralische Ressourcen, dass sogar das weltweite Bevölkerungswachstum der Industrie keinen Schweiß auf die Stirn treibt. Die momentanen Engpässe, wie etwa am Beispiel der Seltenen Erden zu beobachten - China kontrolliert 97 Prozent dieser -, werden alleine durch Märkte verursacht. Die weniger gute Nachricht: Der Kampf um den Zugang zu Ressourcen wird aufgrund der langfristig steigenden Nachfrage zunehmend härter. Europa will daher in Zukunft wieder mehr auf den Bergbau in heimischen Gefilden setzen.
Man muss kein Mathematiker sein, um sich ausrechnen zu können, dass die weltweite Nachfrage nach Rohstoffen langfristig steigen wird. Antreiber ist einerseits das globale Bevölkerungswachstum, andererseits das Aufholen des Pro-Kopf-Rohstoffverbrauches in Schwellenländern wie China, Indien oder Südkorea auf ein in westlichen Ländern übliches Niveau. In Österreich etwa verbraucht jeder Mensch rund 18 Tonnen mineralische Rohstoffe pro Jahr. Sogar beim Stahlverbrauch - der erste Indikator für steigenden Rohstoffhunger eines Landes - sind die genannten Länder noch massiv vom westlichen Verbrauch entfernt.
64 Prozent der weltweiten mineralischen Ressourcen liegen in Ländern, die als politisch instabil gelten. Ein weiterer Grund dafür, dass man in Europa zunehmend wieder auf den Abbau von eigenen Ressourcen setzen will, um Abhängigkeiten zu reduzieren. Immerhin verbraucht die EU 15 Prozent der weltweiten Rohstoffe.
In Europa (EU-27) sind gut zwei Drittel aller mineralischen Rohstoffarten grundsätzlich vorhanden. Eisenerz wird etwa in Schweden oder in Österreich abgebaut. Der gesamte Eisenerzabbau beläuft sich jedoch auf ein mageres Prozent der weltweiten Produktion. Chromium, Nickel oder Wolfram werden ebenfalls in Europa produziert, auch die Edelmetalle Gold und Silber abgebaut. Jedoch: Einzig bei Baurohstoffen kann man den europäischen Bedarf selbst abdecken. Bei allen anderen mineralischen Rohstoffen ist man importabhängig. Österreich muss 84 Prozent der benötigten Mineralien importieren.
Suche nach Ausweg
Quer durch Europa wird nun an einem Ausweg gearbeitet. Die Europäische Union selbst verfolgt seit 2008 die Ausarbeitung ihrer Rohstoffstrategie, die jedoch noch nicht so ganz in die Gänge kommen will. Ein Implementierungsplan, den eine vor kurzem ins Leben gerufene "Hochrangige Lenkungsgruppe für die Europäische Innovationspartnerschaft für Rohstoffe" ausarbeiten wird, soll erst September 2013 fertiggestellt sein. Einzelne EU-Länder verlassen sich lieber auf bilaterale Abkommen und nationale Rohstoffstrategien, um den Bedarf der Industrie zu sichern. Gemeinsam ist aber allen Playern, dass - nicht zuletzt aufgrund der zu erwartenden Preissteigerungen - das Bewusstsein für die Notwendigkeit des Rohstoffabbaus innerhalb Europas steigt.
"Heimische Rohstoffe sind wieder ein Thema", so der deutsche Explorationsgeologe Gregor Borg. Es wird sich wieder lohnen, stillgelegte Vorkommen neu zu beleben. Aber nicht nur: "Wir kommen aber auch nicht darum herum, neue Minenprojekte in Angriff zu nehmen", so Borg. Die Zivilbevölkerung soll bei Ankündigungen von Bergbauvorhaben von Anfang an einbezogen werden, wünscht sich der Geologe. "Denn nur zu sagen, wir brauchen die Rohstoffe für unsere Windräder, aber diese sollen mal weiter in den Dritte-Welt-Ländern produziert werden - das ist moralisch auch fraglich", sagt Borg.
Konkurrenz innerhalb der EU-Länder sieht Borg nicht. Diese beschränkt sich auf die Firmen, die die Rohstoffe zur Verarbeitung benötigen. Es gäbe aber sehr wohl große Unterschiede in der Herangehensweise zwischen den einzelnen europäischen Ländern. Vor allem Skandinavien wird äußerst aktiv exploriert. In Finnland, Norwegen und Schweden "machen quasi jedes Jahr ein, zwei neue Minen auf", so der Geologe. Starke Aktivitäten sind auch in Grönland, Spanien, zum Teil in Griechenland, der Türkei und auf dem Balkan zu beobachten. Dabei bleibt es nicht: "Irland ist ebenfalls relativ aktiv, in England macht demnächst eine Wolfram-Mine wieder auf, in Schottland wird wieder Gold abgebaut. Zentraleuropa ist noch eher ruhig, wobei - ich kann mir nicht vorstellen, dass das Potenzial hier geringer ist, denn in Skandinavien werden zum Teil Minen wieder aufgemacht, wo bereits vor 200 oder 500 Jahren Bergbau betrieben wurde. Dort findet man jetzt mit fortgeschrittenen Explorationsmethoden neue Erzkörper", sagt Borg.
Die Zukunft der Bergbauexploration wird trotz technischer Fortschritte nicht einfacher: Bisher waren etwa 90 bis 95 Prozent der Lagerstätten an oder knapp unter der Erdoberfläche auffindbar. Noch immer werden riesige Lagerstätten sehr oberflächennah gefunden, wie etwa in der Mongolei oder in Panama. Das große Reservoir an tiefer beziehungsweise unter dickerer Überdeckung liegenden Lagerstätten - etwa unter Wüstensand oder dicken Tropenböden - ist noch weitestgehend unerforscht. "Das heißt, dass man in Zukunft noch mehr nachdenken und größere Risiken von Fehlschlägen eingehen muss als bisher. Im Öl- und Gasgeschäft ist dies längst üblich", sagt Borg.
Kostspielige Suche
Explorationsprojekte verschlingen nicht unwesentliche Summen. Möchte man ein mittelgroßes Projekt zum Kupferabbau initiieren, sind etwa fünfzehn bis fünfzig Einzelbohrungen nötig. Je nach Tiefe belaufen sich die Kosten für eine Bohrung auf 0,5 bis 3,3 Millionen Euro. Dazu kommen Kosten für Geophysik - noch einmal etwa fünf bis zehn Millionen Euro, rechnet Borg vor. "Man ist dann von diesen Zahlen beeindruckt, aber das zeigt, dass unsere Gesellschaften in Deutschland und in Österreich mineralexplorationsentwöhnt sind." Das Risiko ist hoch: Der große Abbau funktioniert nicht, ohne dass im Vorfeld sehr viele Vorkommen getestet werden, von denen bis zu 98 Prozent sich als nicht wirtschaftlich herausstellen.
Die Rückkehr Europas zum Bergbau ist auch mit Zahlen zu belegen. Die Investitionen in den europäischen Bergbau stiegen in den letzten Jahren immens an. Waren es 2007 noch 25 Milliarden Dollar, so sprang diese Zahl 2011 auf 75 Milliarden Dollar, schreibt das "Engineering & Mining Journal". "Geld für neue Projekte ist genügend da", sagt Thomas Drnek, bis letzte Woche Präsident von Euromines, der Europäischen Vereinigung für Bergbauindustrie, Metalle und Industriematerialien mit Sitz in Brüssel. Investiert wird nicht nur in neue Projekte, sondern auch in bestehende, um Produktionssteigerungen zu ermöglichen.
Gesamt zählt die mineralische Rohstoffindustrie aktuell 30 Millionen Arbeitsplätze in Europa, das sind 14 Prozent der Erwerbstätigen. In zehn EU-Ländern ist bereits eine neue Rohstoffstrategie in Kraft oder es wird daran gearbeitet. Vertreter der Industrie bescheinigen, dass das Bewusstsein um die Notwendigkeit von Rohstoffen erheblich gewachsen ist. "Die Industrie merkt auch, dass ein entsprechender Arbeitswille da ist, es muss nicht so um Projekte gekämpft werden, man hat seinen Platz in der Gesellschaft und kann seine Aufgaben angehen", so Borg. Den Aufschwung merkt man auch daran, dass in Europa zahlreiche Rohstoffallianzen und neue Bergbauverbände wie Pilze aus dem Boden sprießen. Mit ein wenig Sorge betrachtet Borg die vielen Doppelgleisigkeiten. "Es gibt die European Ore Deposits Initiative, Euromines, Eramin, die Rohstoffinitiative und viele mehr - die alle sehr begrüßenswert sind, aber es wird langsam sehr unübersichtlich."
Der österreichische Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner sprach bei der Rohstoffkonferenz Eumicon letzte Woche in Leoben bereits von einer sich abzeichnenden Reindustrialisierung Europas. Die mineralische Rohstoffindustrie selbst sieht das nicht ganz so, sie spricht von einer "Besinnung auf die eigenen Ressourcen", nachdem die Produktion weitgehend verloren gegangen war.
Mit der Rückkehr des Bergbaus nach Europa kommen freilich auch die mit der Industrie verbundenen Umwelt-, Nachhaltigkeits- und Arbeitsrechtsfragen wieder auf den Tisch. Nach Schätzungen der deutschen Bundesanstalt für Geowissenschaften arbeiten weltweit noch immer ungefähr 100 Millionen Menschen im handwerklichen Bergbau - im Gegensatz zu nur rund sieben Millionen Menschen, die im Hightech-Bergbau tätig sind.