Schwierige Koalitionsverhandlungen stehen an. Eine Korruptionsaffäre belastet den Wahlsieger.
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Jihlava/Prag/Wien. "Schauen Sie sich an, was für eine Ruine das war", sagt Blanka Rosporkova. Die Pensionistin hat bei einem Gespräch auf dem Hauptplatz der mährischen Kleinstadt Jihlava soeben ein Bündel Fotos aus ihrer Handtasche genommen und zeigt auf ein Bild, auf dem ein zerfallenes Ziegelsteingebäude zu sehen ist. "Und jetzt schauen Sie sich an, was daraus geworden ist." Auf den nächsten Bildern, die die frühere Krankenschwester hervorholt, sind ein Restaurant, gepflegte Wiesen und ein Spielplatz abgebildet.
Das Areal, das sich laut den Berichten von Rosporkova bei dem Dorf Olbrahamovice u Benesova befindet, wurde von Andrej Babis aufgebaut. Was dort entstand, ist für sie Beweis nicht nur dafür, was für ein guter Unternehmer Babis ist, sondern auch dafür, welches Potenzial in dem Politiker Babis, der die Partei ANO gegründet hat, steckt. "Die Leute aus dem Dorf haben nun Arbeit, er hat das für die Menschen gemacht", sagt sie.
Die Fotos zeigen offenbar die Farm "Storchennest", ein Wellness- und Freizeitressort. Dieses ist in Tschechien zum Politikum geworden. Denn die Behörden untersuchen, ob sich Babis für dieses Projekt ungerechtfertigterweise EU-Subventionen von zwei Millionen Euro erschlichen hat, indem er das Ressort zeitweise aus seinem Großkonzern Agrofert ausgegliedert und es Verwandten und Freunden überschrieben hat.
Babis sprach immer von einer Hexenjagd und dass es kein Zufall sei, dass eine zehn Jahre alte Geschichte plötzlich kurz vor der Wahl auftaucht. Auch Rosporkova und ihre Freundinnen, die sich als ANO-Anhängerinnen deklarieren, sind dieser Meinung. Die anderen Parteien würden Babis fürchten und nun Schmutzkübel über ihn ausleeren, sagen sie.
Präsident Milos Zemansteht hinter dem Wahlsieger
Dieses Urteil, das die Pensionistinnen bei einer ANO-Wahlkampfveranstaltung kurz vor dem Urnengang abgaben, fällten auch viele andere Tschechen am Wahltag. Babis feierte am Wochenende einen Triumph. ANO erhielt 29,6 Prozent der Stimmen und damit fast drei Mal so viele wie die zweitplatzierte neoliberale ODS, die auf 11,3 Prozent kam. Einen Absturz erlebten die Sozialdemokraten, die die vergangenen vier Jahre den Premier stellten und von 20 Prozent auf sieben fielen. Große Wahlerfolge feierten die Partei SPD des rechtsradikalen Geschäftsmannes Tomio Okamura und die von jungen Leuten unterstützten Piraten. Beide Parteien konnten jeweils mehr als zehn Prozent der Stimmen auf sich vereinen.
Auch wenn viele Wähler keinen Anstoß an der Korruptionsaffäre von Babis nahmen, die Koalitionsverhandlungen werden dadurch massiv erschwert. Die anderen Parteien haben massive Vorbehalte gegen eine Koalition mit ANO oder lehnen eine solche rundweg ab.
Dafür gibt es auch noch weitere Gründe. Babis inszeniert sich als Anti-Politiker, als Macher und Geschäftsmann, der oberster Manager des Unternehmens Tschechien werden will. Andere Politiker bezeichnet er gerne als Gauner, die nur reden und in die eigene Tasche arbeiten. Der 63-Jährige, dessen Wort in seiner Partei Gesetz ist, will den Senat abschaffen und träumt von effizienteren Entscheidungsstrukturen in der Politik. Viele Parteien haben ein atmosphärisches Problem mit ihm und kreiden dem gebürtigen Slowaken darüber hinaus ein mangelndes Demokratieverständnis an.
Am Montag traf Babis den Präsidenten Milos Zeman. Nach dem Treffen sagte der Milliardär, dass Zeman ihn nächste Woche mit der Regierungsbildung beauftragen will. Zeman hat schon lange klar gemacht, dass er Babis unterstützt. Die Untersuchungen gegen den Geschäftsmann hat er als konstruiert bezeichnet. Außerdem meinte Zeman, dass die Immunität von Babis nicht erneut aufgehoben werden sollte. Das war dieses Jahr der Fall, mit seiner Wiederwahl bekam Babis nun seine Immunität zurück.
Zeman handelt dabei nicht selbstlos. Anfang 2018 steht die Präsidentenwahl an und der 74-Jährige schließt nicht aus, erneut zu kandidieren. Seine Siegeschancen würden steigen, wenn ANO darauf verzichtet, einen eigenen Kandidaten aufzustellen. Außerdem spricht Zeman eine ähnliche Wählergruppe wie ANO an - etwa viele ältere Bürger und frühere Wähler der Sozialdemokraten. Mit diesen will es sich der Präsident nicht verscherzen.
Trotzdem bleibt die Frage, mit wem Babis koalieren kann. Die Partei Top 09 von Ex-Außenministers Karel Schwarzenberg hat ein Bündnis mit ANO ausgeschlossen, auch die ODS hat das mittlerweile getan. Die Rechtsextremisten der SPD hat Babis selbst als gefährlich bezeichnet, weil diese aus der EU austreten wollen. Mit den Piraten ist eine Zusammenarbeit nicht ausgeschlossen. Diese sind aber basisdemokratisch orientiert und damit trennen sie vom Manager Babis Welten. Allein mit den Piraten hätte Babis aber ohnehin keine Mehrheit.
Babis selbst hat schon angedeutet, dass ihm eine Fortsetzung der bisherigen Regierungskoalition mit den Sozialdemokraten (CSSD) und den Christdemokraten am liebsten wäre - nur würde diesmal ANO und nicht die CSSD den Premier stellen.
Kommt die alteKoalition in neuem Gewand?
Fraglich ist aber, ob sich die CSSD darauf einlassen will. Die abtretende Regierung hat große Erfolge vorzuweisen - die Wirtschaft ist kräftig gewachsen, die Gehälter sind gestiegen. Babis, der bis Mai 2017 Finanzminister war, hat es mit seiner geschickten Kampagne geschafft, diese Erfolge als die seinen zu verkaufen - und der CSSD viele Wähler abzuluchsen.
Zudem haben auch CSSD und Christdemokraten Vorbehalte gegen einen Premier Babis wegen dessen Korruptionsaffären. Deshalb wird spekuliert, dass ein anderer ANO-Politiker das Premiersamt übernimmt, um dadurch eine Koalitionsbildung zu erleichtern. Babis bliebe dann aber der starke Mann in der Partei und würde im Hintergrund die Fäden ziehen.