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Der bessere Weg für den Balkan

Von Catherine Ashton

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Catherine Ashton ist Hohe Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik und Vizepräsidentin der Europäischen Kommission.

Die Premierminister Serbiens und Kosovos, Ivica Dacic und Hashim Thaci, haben den Mut bewiesen, an eine bessere Zukunft für ihre Völker zu glauben.


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Ebenso wie überall in Europa wurde die jüngste Geschichte des westlichen Balkans mit Blut geschrieben. Vor zwei Wochen haben Ivica Dacic und Hashim Thaci beschlossen, es anders zu machen. Nach sechs Monaten direkter Gespräche haben die Premierminister Serbiens und Kosovos vereinbart, ihre Beziehungen zu normalisieren. Wir dürfen aber nicht übertreiben. Das ist nicht das Ende des Weges, sondern eher eine Weggabelung. Zwei mutige Männer haben den Weg in Richtung Frieden gewählt.

Damit rechnete kaum jemand, als ich vor sechs Monaten beide in meinem Büro in Brüssel zusammenbrachte. Ich war nicht sehr optimistisch, aber der Meinung, dass etwas unternommen werden müsste. Das erste Treffen dauerte nur eine Stunde. Es ging nicht darum, die Differenzen beizulegen, sondern zu sehen, ob die Zeit reif war für einen anhaltenden Dialog. Ich entschied, dass die Zeit reif war. Wichtiger jedoch war, dass die beiden Staatsmänner derselben Meinung waren.

Es folgten neun weitere Treffen. Manche von ihnen waren lang - bis zu 14 Stunden; oft waren sie sehr detailliert und hin und wieder angespannt. Letztlich konnten sich beide Seiten auf das Maß an Autonomie für die Kosovo-Serben einigen. Bei ihrer Rückkehr nach Belgrad und Pristina wurde ihre Vereinbarung quer durch das gesamte politische Spektrum begrüßt. Es gibt noch viel zu tun, um sie umzusetzen. Der Weg dorthin dürfte nicht leicht sein. Dennoch möchte ich einige Gedanken zu den vier wichtigsten Erkenntnissen der vergangenen sechs Monate darlegen:

1. Mutige Führungspersönlichkeiten waren entscheidend, um einen dauerhaften Wandel herbeizuführen. In den vergangenen sechs Monaten habe ich erlebt, wie sich Männer aus Belgrad und Pristina von Politikern zu Friedensstiftern entwickelten.

2. Das heutige Europa ist - wie vieles in der heutigen Welt - ungeordnet. Wir haben vielfältige Identitäten, die sich nicht immer leicht in die einfachen Vorstellungen einfügen, die man im 19. Jahrhundert vom Nationalstaat hatte. Eine große Herausforderung besteht darin, diese Unordnung anzuerkennen und den Menschen mit verschiedenen Identitäten zu helfen, Wege zu finden, um denselben Raum im Geiste gegenseitiger Achtung gemeinsam zu nutzen.

3. Die EU kann dazu einen entscheidenden Beitrag leisten. Es ist ein großes Experiment, die Vielfalt für unser aller Wohl einzusetzen. Ich hoffe, dass die nun erzielte Vereinbarung Serbien und Kosovo der EU ein Stück näherbringt.

4. Harte Macht hat ihre Berechtigung, aber weicher Macht kommt eine gewichtige Rolle zu. Die EU ist nach wie vor attraktiv für potenzielle neue Mitglieder, und zwar nicht nur, weil sie sich für Handel, Arbeitsplätze und Investitionen einsetzt, sondern weil sie für Werte wie Freiheit und Demokratie steht, die die Menschen auf der ganzen Welt begeistern. Ivica Dacic und Hashim Thaci haben den Mut bewiesen, an eine bessere Zukunft für ihre Völker zu glauben. Darin besteht meine Hoffnung. In den vergangenen hundert Jahren galt der westliche Balkan als Kriegsherd. Möge er ab nun als Wiege des Friedens gelten.