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Mikl-Leitners Einfluss auf Geschehnisse im Bund wird sich verringern, die SPÖ erhält in St. Pölten den nächsten Dämpfer.
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Die unmittelbare Folge der Wahl für die Bundesregierung: Es ist überstanden. Die enorme Bedeutung Niederösterreichs für die Kanzlerpartei bedingte eine zusätzliche Belastung für die türkise Regierungsmannschaft, abseits der aktuellen Krisenbewältigung und der Abarbeitung des Programms mit den Grünen, dem nach wie vor nicht einfachen Koalitionspartner für die ÖVP.
Dass das Klimaschutzgesetz, das der ÖVP und den Ländern recht viel abverlangen dürfte, ausständig ist; dass auch das Informationsfreiheitsgesetz, vor dem sich die (für jeden Wahlkampf wichtigen) Bürgermeister fürchten, nicht beschlossen ist; dass Kanzler Karl Nehammer und sein Innenminister Gerhard Karner auf einmal die Schengen-Erweiterung mit der Asylfrage verknüpften, das alles dürfte vom Wahlkampf in Niederösterreich nicht ganz unbeeinflusst gewesen sein. Zwar wird in fünf Wochen in Kärnten der nächste Landtag gewählt, doch die Relevanz dieser Wahl ist für die ÖVP nicht vergleichbar. So gesehen könnte das Stressniveau für die türkise Regierungsmannschaft wieder etwas sinken. Mögliche Auswirkungen auf den wichtigen Wahlkampf in Niederösterreich müssen nun nicht mehr mitbedacht werden.
Verschiebungeninnerhalb der ÖVP
Mittelfristig könnte dieses Ergebnis aber innerhalb der ÖVP für Verschiebungen sorgen. Die Position der Landespartei mit ihrer Frontfrau Johanna Mikl-Leitner ist geschwächt. Innerparteiliche Diskussionen könnten künftig andere Verläufe nehmen als bisher. Denn da war Mikl-Leitners Wort nicht nur gewichtig, sondern mitunter entscheidend, wie zum Beispiel bei der Impfpflicht.
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Etwas unangenehm ist der Verlust der Mehrheit im Bundesrat, die mit nur einem Mandat Überhang knapp abgesichert war. Ein echter Beinbruch ist es nicht, denn der Nationalrat kann sich per Beharrung über Vetos der Länderkammer hinwegssetzen. Und Türkis-Grün regierte schon bis Herbst 2021 ohne Mehrheit im Bundesrat.
Die Vetomöglichkeit bietet der Opposition aber einen gewissen Spielraum und garantiert mediale Aufmerksamkeit. Während der Pandemie blockierte der Bundesrat eine für die Regierung dringende Novelle des Epidemiegesetzes. Im vorigen August mussten ÖVP und Grüne bei einem Mini-Vorhaben (Schaffung des Facharztes für Kieferorthopädie) größere Zugeständnisse an die SPÖ machen, da es Zwei-Drittel-Materie war. Es könnte den Weg weisen, was von einer Opposition, die unbedingt Neuwahlen will, in den nächsten Monaten zu erwarten sein wird.
Für die SPÖ ist das eine Gratwanderung. Während die FPÖ aus Grundsatzüberlegungen die Gegenposition der Regierung einnimmt - und dafür auch gewählt wird -, geht diese Rechnung für die SPÖ, die in der Zweiten Republik nur 15 von 77 Jahren nicht in der Bundesregierung saß, nicht auf. Seit Monaten versucht man eine Doppelstrategie. Einerseits wird Fundamentalkritik geübt bis hin zur Obstruktion. Im August hatte die SPÖ ihre Zustimmung zum Energielenkungsgesetz über Nacht widerrufen. Andererseits wird auch auf Konstruktivität gesetzt, Parteichefin Pamela Rendi-Wagner präsentiert immer wieder Mehr-Punkte-Programmen zu unterschiedlichsten Themen.
Schwächelnde Rotenin ganz Europa
Schon die Tirol-Wahl, die aber immerhin noch mit einem kleinen Plus für die SPÖ endete, ließ leise Zweifel über den roten Kurs aufkommen. Das gilt nun umso mehr nach diesem Sonntag, der der Landespartei von Franz Schnabl ein Minus von rund drei Prozentpunkten bescherte. Er verlor mehr, als er bei seinem ersten Antreten 2018 dazugewonnen hatte. Ruhiger wird es in der SPÖ dadurch kaum werden.
Der Schluss, dass die Sozialdemokratie angesichts der Rekordinflation thematisch ein Heimspiel haben müsste, könnte ein Irrschluss sein. Denn gegenwärtig schwächeln sozialdemokratische Parteien in Umfragen in fast allen europäischen Ländern. Denkbar, dass in Zeiten von Krieg, Teuerung und Klimakrise eine Partei, in deren DNA ein Aufstieg- und Wohlstandsversprechen tief verankert ist, ein sehr grundlegendes Glaubwürdigkeitsproblem hat, abseits vom aktuellen politischen Personal.
Die FPÖ kann sich dagegen nicht nur in ihrem Kurs, sondern auch in ihrer Tonalität bestätigt fühlen - was ihre Außenseiterrolle in der Parteienlandschaft aber weiter einzementiert. Parteichef Herbert Kickl geht aber ohnehin schon seit Monaten All-in. Er will nicht "mitregieren". Er will Erster werden und dominieren.