Über Geld und den Umgang mit Geld haben die beiden einiges zu sagen: Verena Florian hat den Zusammenbruch einer Firma hinter sich und Regina Haberfellner befasst sich von Berufs wegen mit Konkursen. Beide sind sie der Meinung, dass es heutzutage, wenn es um Geld geht, gefährliche Tabus gibt.
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Ja, sie hat daran gedacht. Sie hat an den allerletzten Schritt gedacht, sagt Verena Florian. "Wenn die Kinder nicht gewesen wären, wer weiß, was ich getan hätte." Zwei Jahre hat sie gebraucht, um aus dem tiefen Loch wieder aufzutauchen, in das sie nach dem Zusammenbruch der Firma gestürzt war. "Leben unter dem Tisch" nennt sie diesen Zustand rückblickend.
Wenige Jahre davor lag dieser Alptraum noch weit außerhalb ihres Vorstellungsvermögens. Man schrieb das Jahr 1995 und gemeinsam mit ihrem Mann Gerald, einem Architekten, hatte Verena Florian in Graz eine hoffnungsvolle Firma gegründet. Die hieß "qbVision" und gehörte zu den ersten, die mit Hilfe von Computern eine dreidimensionale Darstellung von Architektur möglich machten. Häuser, Plätze, ja ganze Stadtviertel konnten in einer bis dahin unerreichbaren Perfektion visualisiert werden. Was heutzutage in Internet-Angeboten wie "Second World" oder "Google Earth" alltägliche Banalität ist, war vor fünfzehn Jahren noch ein Terrain, auf das sich erst einige wenige Pioniere vorgewagt hatten.
Entsprechend groß war die Begeisterung. Es gab Förderungen und hymnische Artikel in der Presse. Ein kühner Bürgermeister lud die junge Firma sogar ein, den Bürgern seiner Gemeinde im Internet einen virtuellen Spaziergang durch das Rathaus, das neu gebaut werden sollte, zu ermöglichen - ein für jene Zeit extravaganter Auftrag. Kurz, mit dem kleinen Unternehmen, das nur eine Handvoll Mitarbeiter beschäftigte, ging es rasant aufwärts.
Vielleicht wäre die Geschichte sogar gut ausgegangen, wäre die Begeisterung nicht gar so groß gewesen. Eines Tages, nach ungefähr vier Jahren großer Erfolge, traten nämlich gewichtige Investoren auf den Plan. Das geschah im Jahr 1999, als der Internet-Boom kurz vor seinem Höhepunkt stand. Man wollte viel Geld in "qbVision" stecken, stellte gewaltige Aufträge mit Millionen-Umsätzen in Aussicht und machte sogar ernsthaft Pläne, das junge Unternehmen an die Börse zu bringen. Die Banken bezifferten den Wert der Firma mit schwindelerregenden Summen.
Um die (vermeintliche) Chance nützen zu können, musste nun der Betrieb rasch vergrößert werden. Dazu standen gleich einmal 1,5 Millionen Euro zur Verfügung. Bald arbeiteten fast drei Mal so viele Mitarbeiter an der neuen Software mit dem Namen "Cube", die die Welt erobern sollte. Einen Sommer lang schien es in atemberaubenden Tempo aufwärts zu gehen, bis im Herbst allmählich klar wurde, dass die versprochenen Aufträge ausbleiben würden. Dann kam der Krach an der Börse und wenig später war jedem klar, dass die Firma mit dem Rücken zur Wand stand.
Angst vor dem Scheitern
Der Winter wurde bitter. Mit den Investoren war nicht mehr zu rechnen, Personal musste entlassen werden und in den Büros, in denen es noch vor kurzem hoch hergegangen war, kehrte nun Stille ein. An einem kalten Jännertag war es dann soweit: Schweren Herzens machte sich der Chef auf den Weg zum Bezirksgericht, um den Konkursantrag einzubringen. "Ich konnte meinen Mann nicht begleiten", sagt Verena Florian "Ich war wie gelähmt."
Doch in Wahrheit, wirft Regina Haberfellner ein, hat die Familie Florian die Situation noch gut gemeistert. Sie kennt so manchen Fall, in denen die Inhaber von Firmen, die ins Schlittern geraten, so lange wie möglich versuchen, die Wahrheit vor sich selbst und vor anderen zu verschleiern. Und so mancher verpasst nach ihrer Erfahrung auf diese Art den Zeitpunkt, zu dem das Schlimmste noch zu verhindern wäre.
Die Soziologin musste vor gut zehn Jahren den wirtschaftlichen Zusammenbruch eines Bekannten aus der Nähe miterleben. Seit damals lässt sie das Thema nicht mehr los. Sie begann andere Fälle zu studieren, dokumentierte sie, führte nach sozialwissenschaftlichen Standards Interviews mit Betroffenen und baute ausgehend von diesen Studien im Internet die Plattform "Unternehmer in Not" auf. Die Angst vor dem Scheitern, die Angst, Fehler einzugestehen, sei so groß, sagt sie, dass manche jede Chance verspielten, rechtzeitig den Schaden zu begrenzen. Über eine "Exit-Strategie" nachzudenken, wie sie das formuliert.
Dazu kommt nach ihrer Erfahrung, dass in vielen neu gegründeten Betrieben die finanziellen Reserven chronisch knapp sind. Viele dieser "Flachatmer", wie sie die Soziologin nennt, unterschätzen die langen Durststrecken, die auf dem Weg zum wirtschaftlichen Erfolg warten. Unvorhergesehene Ereignisse wie der Ausfall eines Schuldners oder ein Krankheitsfall können dann bereits den Untergang bedeuten.
Viele wissen im Unterschied zur Familie Florian nicht einmal, dass ein Konkurs Geld kostet. Dass zum Beispiel 4000 Euro Kostenvorschuss vorhanden sein müssen, um das Verfahren überhaupt in Gang zu setzen. Wer in Panik versucht, alle finanziellen Löcher zu stopfen, die sich gerade auftun, kann sich selbst in eine Situation manövrieren, in der das Verfahren mangels Masse eingestellt wird. Mindestens ein Viertel der Privatkonkurse, fügt Regina Haberfellner hinzu, betrifft dann Selbstständige, denen von ihrer Firma nichts als ein Berg von Schulden geblieben ist.
Gut gebucht
Auf der anderen Seite kann der Schritt zum Konkurs, wenn er rechtzeitig getan wird, neue Chancen eröffnen. Eines der besten Beispiele bot vor vielen Jahren der Schokoladenfabrikant Zotter. Kaum jemand kann sich heute vorstellen, dass der erste Anlauf des Erfolgsunternehmens in einem Konkurs endete. Auf der europäischen Plattform "Second Chance", an der Regina Haberfellner mitgearbeitet hat, ist der Fall in der "Hall of Restarters" dokumentiert. Als junger Mann hatte Josef Zotter einen ersten Versuch unternommen, sich mit neuen Produkten zu etablieren. "Wir wuchsen einfach zu schnell", kommentiert er die Ereignisse im Nachhinein. Er musste Konkurs anmelden, konnte das Unternehmen neu aufbauen und wurde dann zu dem Zotter, den man heute kennt.
Verena Florian weiß allerdings, wie hart der Weg zum Neuanfang sein kann. Die Erinnerung an die Jahre "unter dem Tisch" sind noch sehr lebendig. Nach dem Konkurs der Firma wurden die persönlichen Haftungen schlagend, zwei Jahre später handelte sie mit den privaten Gläubigern einen außergerichtlichen Ausgleich aus. Alles war verloren, auch das Geld, das ihr Verwandte geborgt hatten. Für sie, die aus einer gutbürgerlichen Familie kommt, "in der man nicht über Geld spricht", war das Gefühl von Schande kaum zu ertragen. "Es braucht Jahre", sagt sie, "bis man sich wieder etwas zutraut".
Und die Angst davor, dass das Geld für die elementarsten Dinge des Lebens eines Tages nicht mehr reichen könnte, lässt sich auch Jahre später nicht abschütteln. Genauso wenig wie die Erinnerung an Tage, an denen um sechs Uhr morgens an der Türe geläutet wird: Der Exekutor, der meistens so früh ausrückt, weil damit seine Chancen am besten sind, seine Klienten anzutreffen.
Doch nach und nach konnten sie und ihr Mann sich aus dem Alptraum befreien. Zunächst suchten sie um eine Lizenz als Unternehmensberater an, bekamen Aufträge aus verschiedenen Branchen und begannen sich bald auf Coaching zu spezialisieren, vor allem im Zusammenhang mit finanziellen Angelegenheiten. Inzwischen ist die Firma "Florians - Geldcoaching" gut gebucht. Ein Auftritt in einer TV-Show von Barbara Karlich (Thema: "Hilfe! Ich komme mit meinem Geld nicht aus!") oder eine Diskussion in der Radiosendung "Von Tag zu Tag" auf Österreich 1 haben dazu auch beigetragen.
Zu den Kunden des Geldcoaching gehören viele Selbstständige, die ihren Umgang mit Geld überdenken möchten. Das Wissen darum, wie es jemandem geht, der in den finanziellen Abgrund blickt, kommt Verena Florian dabei zugute. Für sie ist der Umgang mit Geld eben nicht bloß eine Frage von Zahlen, sie kennt auch die emotionale Seite, diese abscheuliche Angst vor dem Blick in den Abgrund. Dieses Wissen hat sie jedem anderen Finanzberater voraus.
Info
Florians Geldcoaching
www.geldcoaching.com
Unternehmer in Not.
www.unternehmer-in-not.at
"Second Chance - Josef Zotter"
http://ec.europa.eu/enterprise/policies/sme/business-environment/failure-new-beginning/josef-zotter_en.htm