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Der Blues der Selbständigen

Von Michael Ortner

Wirtschaft

EPU-Umfrage: Ein-Personen-Unternehmen sind besonders stark von der Krise betroffen.


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Sieben Wochen Shutdown haben ihre Spuren bei Ein-Personen-Unternehmen (EPU) und Kleinstunternehmern hinterlassen. Aufträge wurden storniert, Projekte verschoben, Umsätze gingen verloren. Egal ob Friseur oder Physiotherapeut, Künstlerin oder Gastronom: Bei vielen türmen sich die Kosten während die Kassen leer bleiben. Viele kämpfen ums Überleben. Wie schwerwiegend die Folgen sein werden, ist noch nicht abzuschätzen. Für manche wird kein Weg an der Insolvenz vorbeigehen. Ein erstes Stimmungsbild gibt nun eine Online-Umfrage der Universität Wien.

80 Prozent der befragten EPU und Kleinstunternehmen mit bis zu neun Mitarbeitern gab an, mindestens die Hälfte ihres Umsatzes eingebüßt zu haben. Mehr als die Hälfte erlitt einen beinahe vollständigen Umsatzeinbruch von über 90 Prozent durch die Corona-Krise. Bei nur 16 Prozent blieben die Einbrüche unter 50 Prozent, lediglich ein Prozent der EPU konnte den Umsatz steigern.

Branchen trifft es unterschiedlich schwer

Ein Team um den Ökonomen Paul Pichler vom Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Wien hat die Umfrage Mitte April unter rund 600 EPU durchgeführt. Die Ergebnisse sind nicht repräsentativ, Pichler spricht aber von "sehr plausiblen Resultaten". "Im Bereich des Einzelhandels decken sich unsere Resultate mit denen einer Studie des Handelsverbands."

Zwischen den Branchen gibt es deutliche Unterschiede. Besonders schwer hat es den Bereich Kunst, Unterhaltung und Erholung getroffen. Drei Viertel der Befragten geben an, dass sie über 90 Prozent Umsatzverlust haben.

Dazu zählen etwa Gitarrenlehrer, Eventmanager, Musiker und Bühnenbauer. Veranstaltungen mit mehr als zehn Teilnehmern sind derzeit noch nicht erlaubt. Festivals, Konzerte und große Outdoor-Events wurden aber bereits viele abgesagt. Wann Konzerte wieder so stattfinden können wie vor der Krise, ist ungewiss. Schmerzlich waren die Umsatzeinbußen auch bei der Gastronomie. 68 Prozent gaben an, mehr als 90 Prozent Umsatz verloren zu haben. Den Einzelhandel hat es hingegen deutlich weniger stark getroffen. Dies hänge laut Pichler unter anderem mit der früheren Wiedereröffnung zusammen und der Möglichkeit, Waren und Dienstleistungen online zu verkaufen.

Gefragt haben die Ökonomen auch, wie lange es dauern wird, bis wieder die Umsätze aus der Vorkrisenzeit erzielt werden können (siehe Grafik). Die Erwartungen sind gedämpft. Kein Kundenansturm und keine rasche Umsatzerholung sind die beiden zentralen Erkenntnisse aus der Befragung. Viele Dienstleistungen haben Kapazitätsgrenzen. "Ein Friseur kann nicht einfach mehr Kunden bedienen. Im Gegenteil, es werden jetzt aufgrund der Hygienemaßnahmen weniger sein", sagt Pichler.

Weniger als 20 Prozent glauben, dass sich ihre Umsätze innerhalb von drei Monaten erholen werden. Mehr als ein Viertel rechnet damit, dass dies länger als ein Jahr dauern wird. "Es ist durchaus überraschend, dass eine große Mehrheit der Unternehmen damit rechnet, dass es keine rasche Umsatzerholung geben wird."

Mit der Online-Umfrage wollten Pichler und sein Team die kleinen und Kleinstunternehmen näher beleuchten. "Uns ist aufgefallen, dass die EPU zu Beginn der Krise vollkommen vernachlässigt wurden", sagt der Ökonom. Laut Zahlen der Statistik Austria gibt es rund 300.000 Unternehmen mit bis zu neun Mitarbeitern. Sie sorgen mit über 720.000 selbständig und unselbständig Erwerbstätigen für knapp ein Viertel der Beschäftigung. Daher stellen EPU und Kleinstunternehmer "aufgrund ihrer hohen Beschäftigungswirkung und ihrer Wertschöpfung eine durchaus makroökonomisch relevante Größe dar", wie die Ökonomen in einem Blogbeitrag schreiben.

Unternehmen geben sich kämpferisch

Ein großes Fragezeichen schwebt über der Zukunft der Kleinstunternehmer. Wenn Umsätze oder Aufträge ausbleiben, wird sich für manche die Frage stellen, ob sie ihre Tätigkeit einstellen müssen. Die Umfrage liefert jedoch ein überraschendes Ergebnis dazu. Ein Drittel der Befragten schließt aus, die bisherige unternehmerische Tätigkeit zu beenden. Zwei Drittel erachten es für möglich, wenngleich viele davon als nicht sehr wahrscheinlich. Nur etwa 20 Prozent sagen, die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihre Tätigkeit einstellen, liegt bei über 50 Prozent. "In Anbetracht der Problematik zeigen sich viele kämpferisch", sagt Pichler.

Die Ökonomen haben die EPU aber nicht nur zu ihrer wirtschaftlichen Situation befragt, sondern auch, wie die Erfahrungen mit dem vielfach kritisierten Härtefallfonds sind. Laut Wirtschaftskammer gingen bisher 97.700 Anträge dafür ein. 27 Prozent davon wurden abgeschlossen, 12,5 Millionen Euro Hilfen ausbezahlt. Wie die EPU über diese Hilfen denkt, will Pichler Ende der Woche veröffentlichen. Er schickt aber schon voraus: "Die EPU sind extrem unzufrieden mit den Maßnahmen."

Blogreihe der Uni Wien: EPU und Kleinstunternehmen in der Corona-Krise