Goldhasen-Streit eröffnet der EU mögliche Leitlinien für die Definition von Bösgläubigkeit. | Gutachten über das Böse von der EuGH-Generalanwältin. | Brüssel. Es waren einmal zwei sitzende Schokoladeosterhasen in Goldfolie, die einander vielleicht zu ähnlich waren, um beide in der EU vertrieben zu werden.
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Obwohl - der "Goldhase" vom Schweizer Schokoladeriesen Lindt & Sprüngli trägt zwar eine rote Schleife mit einem Glöckchen und hat den Firmenschriftzug am Hinterlauf.
Trotzdem räumte der österreichische Oberste Gerichtshof (OGH) ein, dass mit dem "Prachthasen" der Franz Hauswirth GmbH aus Kittsee Verwechslungsgefahr bestehe. Der hat eine etwas andere Form, kein Glöckchen und der Firmenname ist lediglich auf einem Aufkleber an der Unterseite des Produkts angebracht.
Lindt hat seinen Hasen im Jahr 2000 als dreidimensionale EU-Marke eintragen lassen und will Hauswirth den Vertrieb des Konkurrenten verbieten. Das Verfahren inklusive Instanzenzug läuft seit 2003, eine einstweilige Verfügung haben die Schweizer Schokoladegiganten bereits durchgesetzt - der Prachthase wird derzeit nicht verkauft.
Die Österreicher argumentieren, dass die Schweizer die Marke nur deshalb eingetragen haben, um Konkurrenten vom Markt zu verdrängen. Mindestens drei Mitbewerber mit sitzenden Schokohasen in Goldfolie mussten Lindt damals bekannt gewesen sein. "Bösgläubigkeit" habe sie daher geleitet - laut EU-Markenverordnung ein Grund für die Annullierung der Marke.
Arbeit von Theologen und Philosophen
Doch Bösgläubigkeit ist bisher im EU-Recht noch nicht definiert. Daher hat der OGH den EuGH um Klärung ersucht. Generalanwältin Eleonor Sharptson liefert in ihrem Rechtsgutachten mögliche Leitlinien für die Annäherung an den Begriff Bösgläubigkeit.
Zwar ist die Definition von EU-Rechtsbegriffen eine der Kernaufgaben des EuGH. Doch jener der Bösgläubigkeit scheint eine besondere Herausforderung.
Damit "haben sich nicht nur Juristen, sondern auch Philosophen und Theologen abgemüht, ohne ihn vollständig in den Griff zu bekommen", schreibt Sharpston. Sie sei im Einzelfall zu beurteilen. Da die endgültige Sachverhaltsdarstellung und deren Bewertung die ureigenste Kompetenz des schließlich entscheidenden Gerichts - hier des OGH - ist, bedient sich Sharpston einer sehr vorsichtigen Sprache: Grundsätzlich stellt sie fest, dass Böswilligkeit im Sinne des EU-Markenrechts "nicht auf einen begrenzten Katalog konkreter Umstände" reduzierbar. Es beinhalte vielmehr ein Verhalten, das von "anerkannten Grundsätzen des ethischen Verhaltens oder den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel abweicht."
Im Wesentlichen spricht die Kenntnis Lindts von bereits zum Teil seit vielen Jahren vor der Markenanmeldung rechtmäßig und mit einem gewissen Schutz vertriebener ähnlicher Schokohasen für Hauswirth, dem der OGH einen "wertvollen Besitzstand" zuspricht. Die Schweizer produzieren ihren Goldhasen seit 1950, boten ihn aber erst 1994 in Österreich an. Den Prachthasen gab es da schon seit 1962 im Angebot.
Die Sitzhasen verschiedenster Hersteller werden darüber hinaus in mehr oder weniger ähnlicher Form bereits seit den 1930er Jahren im deutschsprachigen Raum vertrieben. Ebenso hilft der Fakt, dass die Form der sitzenden Schokohasen in der ganzen Branche durch die Einführung der maschinellen Wickelungsverfahren in den 1990er Jahren einander infolge technischer Vorgaben immer ähnlicher geworden sind.
Heikel dürfte die Frage sein, ob der Lindt-Hase nicht auch ohne Markeneintragung einen stärkeren Rechtsschutz als seine Konkurrenten hätte und diese durch die Nutzung eines ähnlichen Zeichens einen ungerechtfertigten Vorteil gewinnen würden.
Wie gut oder böse war Lindt & Sprüngli?
Mit diesen Fragen müsste sich der OGH auseinandersetzen, wenn die EuGH-Richter dem Gutachten der Generalanwältin folgten, was im Schnitt in vier von fünf Fällen geschieht. Stellt der OGH fest, dass die Schweizer böswillig gehandelt haben, würde die Marke "Lindt Goldhase" wohl annulliert. Hat Lindt dagegen in gutem Glauben gehandelt und die beiden Hasen werden als verwechselbar eingestuft, dürfte Hauswirth den Vertrieb seines Prachthasen in der bisherigen Aufmachung nicht wieder aufnehmen. Zu klären wäre dann, wie sehr er verändert werden müsste, um wieder auf den Markt neben dem Goldhasen zurückkehren zu dürfen.
Wortlaut
Auszüge aus dem vollständigen Schlussantrag über den Osterhasen:
"Zur österlichen Mythologie gehört ein Eier austragendes Wesen, das als Osterhase bekannt ist... In verschiedenen Sprachen wird das Wesen als Hase oder als Kaninchen bezeichnet, und der englische Begriff "bunny" ist wohl dehnbar genug, um beide Formen zu umfassen. In Australien, wo Kaninchen nicht gut angesehen sind, ist ihre mythologische Nische zum Teil vom "Easter bilby" (Osterkaninchennasenbeutler) besetzt worden (obwohl man angesichts der möglichen Fähigkeit, Eier zu legen, eher ein "Osterschnabeltier" erwarten mag) . . . Zum Glück ist die genaue zoologische Einordnung dieses (vermutlichen) Hasenartigen für alle Streitfragen des vorliegenden Falls vollkommen irrelevant."